Lexikon des schulischen Elends

Autor*in
Blech, Tom
ISBN
978-3-499-62238-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
160
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
7,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Experte in Sachen “Schule” (Lehrer/Lehrerausbilder) hat in alphabetischer Folge die absurden und misslungenen Aspekte des schulischen Betriebes gesammelt.

Beurteilungstext

Nachschlagewerke sind ein wichtiges Handwerkszeug für Lehrer und Schüler. Sie liefern, meist streng alphabetisch sortiert, Erklärungen, Synonyme und Hintergründe zu Begriffen, die uns zwar irgendwo begegnen, aber deren Sinngehalt sich nicht sofort und automatisch erschließt. Soweit die ernst gemeinten Sätze hierzu.
Von “ernst gemeint” kann ansonsten keine Rede sein, denn Tom Blech scheint ein Spötter ersten Ranges zu sein. Wenn er die zahlreichen Begriffe des schulischen Alltags erläutert, bleibt jedenfalls kein Auge trocken. Doch er macht keine Witze, von Stichwort zu Stichwort (nie war dieses Wort treffender!) erkennt der Leser beinahe schmerzhaft, wieviel Wahrheit in den scheinbar so lockeren Spitzen steckt. Die Schärfe ist unterschiedlich, manches ist ein - meist - guter Gag, eine Pointe, mehr nicht. Aber oft entlarvt die satirische Überhöhung echte Fehlentwicklungen, Missstände, praktische Unerträglichkeiten.
Vor allem letzteres ist sicher auch der Hauptgrund für die Veröffentlichung dieses Buches gewesen. Vieles an heutiger Pädagogik, alltäglichem Leben in Elternhaus und Schule ist für viele unerträglich geworden, demotiviert, nervt, macht sogar krank bis zur Berufsunfähigkeit. Da kann man nun wie Don Quijote den Kampf gegen die Windmühlen ausfechten, sich einfach verweigern oder das scharfe Schwert einer geschliffenen Zunge führen. Da aber selbst kleine Ritzer mit dem Schwert schmerzhaft sind und zu heftigen Reaktionen führen können, tat der Autor sicher gut daran, unter dem Deckmantel des Pseudonyms zu bleiben, denn wie auch immer er heißen möge - sicher nicht Tom Blech.
Und die Zahl seiner möglichen Gegner wird von Seite zu Seite größer: Eltern, Schüler, Lehrerkollegen, Schulbehörden, Bildungspolitiker, Pädagogikwissenschaftler, Sozio- und Psychologen, von Theologen ganz zu schweigen - niemand bleibt ungeschoren. Man kann dieses Büchlein nur zur Unterhaltung lesen, es ist wirklich amüsant. Aber man kann den Aufschrei eines klarsichtigen, erfahrenen und deshalb häufig frustrierten Erziehers auch ernstnehmen als Hilferuf, Aufforderung zu Besinnung und Umkehr.
Berühmte Satiriker wie Tucholsky, Kästner u.a. wussten um die Macht ihrer Feder, kannten aber auch die Grenzen ihrer Wirksamkeit und ihre Ohnmacht gegenüber einer sie überrollenden Masse. Das wird auch Blech so ergehen. Aber deshalb schweigen? Vielleicht geschieht ja doch einmal ein Wunder und die einfache Vernunft kommt an die Macht...
Zumindest viele Gedanken kommen einem beim Lesen dieses Lexikons, irgendwo findet sich auch jeder wieder. Selbst GEW und KJL sind da nicht ausgespart. Aber das möge jeder selber nachlesen. Trotzdem zwei Kostproben zum Schluss:
“Evaluation, die: kein reines Pädagogikelend, aber doch in niederschmetternder Unzahl ebendort anzutreffen. Wir evaluieren die Kinder, uns, dann wieder die Kinder und dann nochmal uns. Und sind dann doch wieder schlechter als die >Finnen.”
“Schüler, der: kein Mensch, sondern eine Rolle. Das merkt der Lehrmensch, wenn er einen Sch. privat trifft, gar in einer Notsituation. Der Sch. erweist sich als ansprechbar, ja, er kann sogar selbst sprechen und ist überdies hilfsbereit. In der >Schule ist das ganz anders. Da muss der Sch. böse sein, das spürt er und das nimmt er an. Und, liebe >Eltern, er IST böse. Er haut, zotet, keift, kneift, will nichts lernen. Nein, es ist nicht so, dass man das doch zu Hause merken müsste. Doch, es war tatsächlich euer Justin, der “ficken” ins neue Furnier gekerbt hat, mag er auch bei den Pfadfindern sein, und es ist eure Eleonora, die in der großen Pause Apfelkorn im Keller trinkt.”
Da bekommen sogar Schüler und Eltern Mitleid mit den Lehrern. Also: Lesen!

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Diese Rezension wurde verfasst von bh.
Veröffentlicht am 01.01.2010