Leon Hertz und die Sache mit der Traurigkeit

Autor*in
Surmann , Volker
ISBN
978-3-95854-211-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Schulz, Tine
Seitenanzahl
224
Verlag
Mixtvision
Gattung
Buch (gebunden)
Ort
München
Jahr
2024
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
0,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Ein Referat im Fach Ethik zum Thema Trauer und Tod zu halten, ist für den dreizehnjährigen Leon eine Herausforderung, da er immer wieder von Traurigkeit erfasst wird, die er sich selbst nicht erklären kann. Ein Kreuz, das an einer Straßenkreuzung, an der Leon jeden Morgen auf dem Schulweg vorbeikommt, aufgestellt ist und das an den Tod eines jungen Radfahrers erinnert, soll den Mittelpunkt von Leons Vortrag bilden. Der misslingt gewaltig, da Leon zwar Fakten darbietet, diese allerdings unzusammenhängend sind und ohne weitere Erläuterungen bleiben. Jedoch gibt ihm seine Lehrerin eine zweite Chance und so beginnt er mithilfe seines Klassenkameraden Rouven genauer zu recherchieren, was bei dem Unfall geschehen ist. Die Freundschaft, die dabei zwischen Leon und Rouven entsteht, erweist sich trotz vielfältiger Herausforderungen als tragfähig.

Beurteilungstext

Leon beschreibt sich selbst als Depri Light, weil er zwar häufig traurig ist und die Tränen nicht zurückhalten kann. Aber mithilfe von wöchentlichen Therapiestunden, eigenen Strategien sich vor den anderen zurückzuziehen und leichten Medikamenten kommt er einigermaßen durch den Alltag. Bei der Recherche für das Ethikreferat hilft ihm Rouven, der in der Klasse als Emo bezeichnet und aufgrund seines Aussehens und Auftretens ausgegrenzt wird. Leon hat Rouven um Unterstützung gebeten, weil er annimmt, dass der sich mit düsteren Themen auskennt. Als Rouven Leon nach einen Weinanfall tröstet und offenbart, dass er ihn mag, ist Leon sehr verwirrt, da er sich nicht vorstellen kann, dass ein Junge in ihn verliebt sein könnte. Doch dadurch, dass beide nach ein paar Tagen Redepause wieder miteinander sprechen und ehrlich zueinander sind, werden sie richtige Freunde.

Leon befragt in den Folgetagen die Bekannten des Radfahrers Lukas, der an der Kreuzung gestorben ist. Sogar mit dem LKW-Fahrer, der den Lastwagen gefahren hatte, als es zu dem Unglück kam und der infolge des Unfalls völlig aus der Bahn geworfen wurde, obwohl man ihn von der Mitschuld freigesprochen hatte, wechselt Leon ein paar Worte. Nach und nach kann er die relevanten Fakten zusammentragen und gerät dabei immer wieder in Situationen, die ihn wie in ein Schwarzes Loch zu ziehen scheinen. Auch Rouven kennt diese dunklen Abgründe, die sich sehr zugespitzt zeigen, als er von Mitschülern in fieser Weise gemobbt wird.

Leon hält schließlich das Referat mit vielen neuen Erkenntnissen und nachvollziehbaren Erklärungen vor der Klasse. Dabei spricht er offen auch das unsägliche Verhalten gegenüber Rouven an, erklärt seine problematischen Gemütszustände und lässt dabei seinen Tränen öffentlich freien Lauf. Edda, seine Klassenkameradin, in die er heimlich verliebt ist, bestärkt ihn darin, dass er das Richtige getan hat. Als die alte Dame, die aus sehr persönlichen Gründen jede Woche frische Blumen in die Vase neben dem Kreuz auf der Kreuzung gesteckt hat, für eine Weile ins Krankenhaus und zur Reha muss, übernimmt Leon diesen Erinnerungsdienst. Zusammen mit Rouven findet er neue Möglichkeiten, der Trauer zu begegnen.

Der eindrucksvolle Jugendroman von Volker Surmann hat völlig zurecht den Evangelischen Buchpreis 2025 gewonnen. Einfühlsam und gradlinig werden die Themen Depression, Suche nach dem eigenen Ich, Umgang mit Einsamkeit, Mobbing und Herausforderungen der Pubertät dargeboten. Die Geschichte, die aus der Sicht Leons geschildert wird und somit den Leser und die Leserin sehr dicht an dessen Gefühlswelt heranlässt, zeigt mit jedem neuen Rechercheergebnis Leons Verständnis und Un-Verständnis vom Leben, dem Schicksal und der Verkettung besonderer Umstände, aber auch das Denken und Fühlen einiger anderer Personen, die in dem Roman beschrieben werden. Dabei wird deutlich, auf wie viele unterschiedliche Weisen und wegen welch verschiedener Gründe Menschen traurig sein können – weil ein geliebter Mensch gestorben ist, weil die eigene Identität Probleme bereitet, weil schlimme Ereignisse nicht rückgängig gemacht werden können, weil...

Der Roman ermutigt, sich Menschen anzuvertrauen, wenn es einem nicht gut geht. Er zeigt auf, dass Ängste und Traurigkeit zum Leben dazugehören und für viele Menschen eine besondere Herausforderung darstellen können. Er macht Hoffnung, dass nicht alle Mitmenschen ignorant und zerstörerisch sind, sondern dass Empathie und Unterstützungswille doch bei vielen vorhanden ist. Ob die Klassenlehrerin, die Friedhofswärterin, die Therapeutin, die Mitarbeiterin der Spedition, der Besitzer des Dönerladens und seine Frau, der Obdachlose, Edda – sie alle leisten ihren ihnen möglichen hilfreichen Beitrag dazu, dass Leon Antworten auf seine Fragen bekommen kann.

Ein lesenswerter Roman - nicht nur für Jugendliche - zu Themen, denen viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müsste. Je nach Schülergruppe kann das Lesen dieses Jugendromans im Unterricht sehr gewinnbringend sein, wobei die genaue Kenntnis der Schülergruppe unabdingbar ist. Zudem sollte sichergestellt sein, dass die Schülerinnen und Schüler sich mit den im Buch dargebotenen Themen auch wirklich auseinandersetzen wollen und können, da diese nicht einfach mal nebenbei zu bedenken und zu besprechen sind, sondern Raum für Fragen, Stille und Antworten sowie zielführende Informationen gegeben sein muss.

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Diese Rezension wurde verfasst von Ivonne Schweitzer; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 24.02.2025