Lauras Stern

Autor*in
Thoma, Joya
ISBN
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in / Sprecher*in
Umfang
79  Minuten
Verlag
Gattung
Film
Ort
-
Jahr
2021
Alters­empfehlung
4-5 Jahre6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Joya Thome inszeniert die erste Realspielfilmadaption von Klaus Baumgarts Bilderbüchern Lauras Stern, die zu modernen Klassikern avanciert sind. Eng orientiert an der Zeichentrickfilmvarriante von 2004, gelingt ihr ein ebenso herzerwärmender wie elegant gefilmter Kinderfilm, der perfekt in die Weihnachtszeit passt (und wohl seinen festen Platz im Weihnachtsfernsehprogramm finden wird).

Beurteilungstext

Klaus Baumgarts Bilderbuchreihe „Lauras Stern“ ist seit der Erstveröffentlichung 1996 zu einem veritablen Klassiker der deutschen Kinderliteratur avanciert. Das spiegelt sich auch in dem umfangreichen Medien- und Produktverbund rund um die Geschichte des kleinen Mädchens wider, das einen vom Himmel gefallenen Stern bei sich zu Hause aufnimmt, sich um seine Verletzungen kümmert, mit ihm aufregende Abenteuer erlebt und am Ende lernt, den liebgewordenen Begleiter ziehen zu lassen, damit er zu seiner Sternenfamilie zurückkehren kann. Neben verschiedenen Bilderbüchern gibt es eine 52 Folgen umfassende Animationsserie (2002-2011, https://www.kika.de/lauras-stern/index.html), vier animierte Spielfilme („Lauras Stern“, 2004; „Lauras Weihnachtsstern“, 2006; „Lauras Stern und der geheimnisvolle Drache Nian“, 2009 und „Lauras Stern und die Traummonster“, 2011), einen Kinderroman zum Film, Musical- und Kindertheateradaptionen sowie zahlreiche Merchandisingprodukte.
Zu dieser Riege gesellt sich nun die erste Realfilmadaption von „Lauras Stern“ (Kinostart: 9.12.2021), gedreht von Joya Thome nach einem Drehbuch von Claudia Seibl und Claudia Thieme. Für die 1990 geborene Thome ist „Lauras Stern“ nach ihrem spektakulären und preisgekrönten Regiedebüt „Die Königin von Niendorf“ (2017) der zweite Spielfilm.
Thomes Laura-Variante orientiert sich eng, teils Einstellung für Einstellung, an Handlungsablauf und Ästhetik des ersten Zeichentrickfilms von 2004 (Regie: Piet de Rycker und Thilo Rothkirch). Beide Filme erweitern so fast idealtypisch Baumgarts Laura-Stoff zu einer abendfüllenden Spielfilmhandlung. Was bei Baumgart noch eine Geschichte vom Loslassen ist, wird im Kinoformat von beiden Spielfilmen um eine Außenseitergeschichte ergänzt. Laura ist hier ein Landkind, das durch den Umzug in die große Stadt aus dem vertrauten, bullerbühaften Umfeld gerissen worden ist, sich nun im Hamburger Asphaltdschungel in der zwar großen, aber noch mit Umzugskartons vollgestellten Altbauwohnung zurechtfinden und neue Freundschaften schließen muss.
Der vom Himmel gefallene Stern wird unter diesen Vorzeichen zum Begleiter in dunklen Kinderstunden, der dem Mädchen dabei hilft, sich in der noch nicht heimischen neuen Umgebung zurechtzufinden – und ganz nebenbei auch die Entwicklungsaufgabe zu meistern, sich um ihren strahlenden Schützling zu kümmern und ihm dabei zu helfen, wieder heimzukehren.
Die Eltern bieten Laura und ihrem Bruder Tommy zwar einen bürgerlich-behüteten, liebevollen Rahmen, wirklich verstehen sie ihre Kinder aber nicht. Dementsprechend bleiben Luise Heyer und Ludwig Trepte als Elternfiguren eher blass, denn die Erwachsenenwelt ist in „Lauras Stern“ bloße ergraute Kulisse für die magische Welt, in der die Kinder sich tummeln. So ist es nur konsequent, dass die Erwachsenen oft der Kamera den Rücken kehren und nicht merken, welche magischen Abenteuer sich hinter ihnen abspielen.
Und jede Menge Magie bringt der kleine Stern in das Kinderleben, denn sein Sternenstaub erweckt Lauras Spielzeuge (und den Beschütz-mich-Hund ihres kleinen Bruders Tommy) zum Leben. Die meiste Zeit wuseln dementsprechend auch lebendige Katzenroboter, Kuschelbären und andere animierte Gegenstände durch das Bild. Diese Feier kindlicher Fantasie bzw. kindlichen Animismus ist mitreißend inszeniert.
Thome setzt bei aller struktureller Übereinstimmung aber eigene Akzente. So ist die Laura der Zeichentrickfilme noch ein lebhaftes, freches und gar nicht konfliktscheues Mädchen im Grundschulalter, während sie bei Thome, wunderbar gespielt von Emilia Kowalski, bedächtiger, vorsichtiger und etwas scheu durch ihre Welt läuft. Damit ist der neue Film näher an der Bilderbuchvorlage.
Das Erzähltempo passt sich an diese Akzentuierung an: Wo die Zeichentrickvariante gerne auch mal hektisch und mit Knalleffekten erzählt, verweilt Thomes Film mit ruhigen, übersichtlichen Montagesequenzen gerne bei seinen Figuren (Kamera: Daniela Knapp; Montage: Jamin Benazzouz). Nur ab und an wird es aufregend, etwa wenn der geschwächte Stern mitsamt Laura nach einem Ritt über den nächtlichen Hamburger Nachthimmel in einen Alsterkanal fällt und von der Titelheldin wieder zum Leben erweckt werden muss.
Dennoch: Laura erlebt zwar viele Abenteuer und konkurriert mit den Nachbarsjungen, aber es gibt keinen wirklichen Antagonisten, der ihr beispielsweise den Stern streitig machen möchte. Stattdessen muss die kleine Laura Herausforderungen meistern, denen sie mal besser, mal schlechter gewachsen ist.
Letztlich erzählt „Lauras Stern“ die Geschichte eines kleinen Mädchens, das mit der Hilfe einer sorgenden Helferfigur lernt, sich in einer neuen, ungewohnten Umgebung zurechtzufinden. Diese Sorgegeschichte ist aber eine, die auf Gegenseitigkeit beruht: So, wie der Stern Laura hilft, ihre Noch-nicht-Beheimatung zu verarbeiten, so sorgt Laura für den ebenfalls heimatlos gewordenen Stern. Und dieser Sorgebeziehung eingeschrieben ist ein Schwellenmoment des Größerwerdens: Laura muss lernen, loszulassen und dem Stern zu helfen, zu seiner eigenen Familie am Sternenhimmel zurückzukehren.
Der Entwicklungsprozess, den Laura durchläuft, zeigt sich am Ende der Geschichte: Laura hat nicht nur ihren Frieden damit gemacht, ihren Sternenfreund wieder heimkehren zu lassen; sie hat nun auch in der Großstadt Hamburg eine neue Heimat gefunden und sehnt sich nicht mehr so nach der vertrauten Landidylle.
Dieser Film macht schlicht Spaß: Thome balanciert auf geschickt filmästhetische Eleganz mit Kinderfilmkitsch, der Vorschul- und Grundschulkindern einen Heidenspaß bereiten dürfte, aber auch erwachsenen Kinobegleiter*innen ein wohliges Filmerlebnis beschert.

Diese Rezension erscheint im Rahmen einer gemeinsamen Kooperation auch auf KinderundJugendmedien.de: https://www.kinderundjugendmedien.de/kritik/filmkritiken/6003-lauras-stern-joya-thome-2020

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Philipp Schmerheim; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 26.01.2022