Land in Flammen Ein leben im Schatten des Deißigjährigen Krieges

Autor*in
Parigger, Harald
ISBN
978-3-401-60391-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Knappe, Joachim
Seitenanzahl
112
Verlag
Arena
Gattung
Sachliteratur
Ort
Würzburg
Jahr
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

In dieser historisch fundierten Erzählung wird Geschichte lebendig. Das Deutsche Reich befindet sich 1620 im dreißigjährigen Krieg. Der junge Gottlieb zieht mit einem Söldnerheer durch das brennende Deutschland. Er will für diesen sinnlosen Glaubenskrieg zwischen Katholiken und Protestanten nicht sterben. Aber welche Wahl hat er?

Beurteilungstext

Für mich ist es das erste Buch aus der Reihe: Arena Bibliothek des Wissens-Lebendige Geschichte, und ich bin total begeistert und überzeugt, dass es damit tatsächlich gut gelingen kann, Geschichte lebendig werden zu lassen. Es ist für mich sehr gut vorstellbar und nachvollziehbar, dieses Buch als Lesestoff und Arbeitsmaterial im Geschichtsunterricht einzusetzen. Es ist dem Autor sehr gut gelungen, dem Leser eine historisch fundierte Erzählung so spannend und emotional packend zu schildern, dass man sich inmitten der kämpfenden, verzweifelten, hungernden und angstergriffenen Menschen im Deutschland des 17. Jahrhunderts glaubt. In den Sachteilen erhalten wir viele Hintergrundinformationen, sowie Porträts bekannter Persönlichkeiten. Sie geben uns einen Einblick über Zeitzeugen/ Machthaber/ Befehlshaber/ Herrscher. Namen wie: der tatkräftige König Gustav Adolf, Fürst Maximilian l. von Baiern, Kardinal Richelieu, Allbrecht von Wallenstein können wir in das Kriegsgeschehen dann besser eingliedern. Oft hört man, der Dreißigjährige Krieg sei ein „Glaubenskrieg“ gewesen. Vordergründig ist das richtig. Aber vor allem ging es um die Machtverteilung im sogenannten „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ und um die Vormachtstellung in Mitteleuropa. Deutschland bestand um 1620 aus annähernd 300 großen und kleinen weltlichen und geistlichen Fürstentümern, Grafschaften und Reichsstädten. Es hatte zwar einen Kaiser als Oberhaupt, der der Familie der Habsburger entstammte und wegen seiner riesigen Besitztümer bei Weitem der mächtigste Fürst in Deutschland war. Doch seine Macht war nicht umfassend. Die Interessen der Obrigkeiten wurden beim Reichstag vertreten und an dessen Beschlüssen kam auch nicht der Kaiser vorbei. Auch beim Thema Glaube ging es vorrangig um Macht. Seit dem frühen Mittelalter waren in Deutschland Staat und Kirche eng miteinander verflochten, die staatliche und kirchliche Ordnung angeblich von Gott festgelegt und unverrückbar. Doch der Theologe Martin Luther hatte 1517 eine Reform der alten katholischen Kirche eingeleitet, ohne dass er diese Ordnung anzweifelte. Er wollte aber, dass alle Menschen die Bibel lesen und verstehen könnten, deshalb übersetzte sie ins Deutsche. Das neue Religionsverständnis wirbelte die politische und gesellschaftliche Ordnung durcheinander. Nun standen die Geistlichen nicht mehr zwischen den Gläubigen und Gott, sondern konnten lediglich beraten und helfen. So fand die neue – lutherische - Kirche rasch viele Anhänger, während die frühere – katholische – ihre Allmacht wiederherzustellen suchte. Die katholische Kirche betrieb eine aggressive Gegenreformation. Die Mächte im Westen und Norden Deutschlands, Frankreich, Spanien, Dänemark und Schweden wussten um die Zerbrechlichkeit des deutschen Reichs und hofften, sich bei passender Gelegenheit einzelne Gebiete einverleiben zu können. Am angespanntesten aber war die Lage im deutschen Reich. Groß war die Furcht der protestantischen Herren, von den Katholiken überrannt zu werden. Und tief war die Sorge der katholischen Fürsten, von den Protestanten um die Vormachtstellung gebracht zu werden. Der dreißigjährige Krieg währte leider sehr lange, eben 30 Jahre und die Menschen waren der Willkür der Obrigkeiten – Fürsten, Bischöfe, Kaiser…. hilflos ausgeliefert. Sie wurden gezwungen, Abgaben zu leisten, obwohl sie selbst fast am Verhungern waren. Das Wenige, was ihnen blieb, erbeuteten sich die Soldaten und Marodeure oder es fiel der allgemeinen Verwüstung/ Brand bei den Gefechten zum Opfer. Sie wurden zum Kämpfen gezwungen, mal gegen die Katholiken und mal gegen die Protestanten, je nachdem welcher Herrscher die größte Macht hatte. In der vorliegenden Erzählung hat der Söldner Johann bei seinem Beutezug ein kleines Baby an sich genommen, weil dieser mit seinem eindringlichen Blick irgendwie vermocht hat, sein Herz anzurühren. Wir Leser werden mit einer ganz anderen Art zu leben und miteinander umzugehen konfrontiert. In diesen Zeiten war ein Menschenleben nichts wert und wer auf Beutezug war, kannte weder Mitleid noch Erbarmen. Die verrohten Kerle nahmen an sich, was sie wollten, ob materieller, tierischer oder menschlicher Art. Meist wurden die Besiegten abgeschlachtet, die Frauen vorher noch missbraucht und selbst die Kinder getötet. Da grenzt es schon an ein Wunder, dass der kleine Balg, später auf den Namen Gottlieb getauft, in Johann einen Lebensretter und Beschützer für viele Jahre gefunden hat. Auch die Marketenderin Grete hat einen Narren an Gottlieb gefressen und unterstützt, so gut es ihr möglich ist. In einer Zeit, wo das eigene Überleben oberste Priorität hat und die Menschen nur sich selbst vertrauen, ist es bemerkenswert hervorzuheben, dass auch Nächstenliebe und Freundschaft noch bestehen. Während Johann seine Gedanken oder Gewissensbisse mit Schnaps wegspült, hadert Gottlieb immer mehr mit sich selbst. An einem Tag soll er noch lutherische Soldaten totstechen, und wenn er sich geweigert hätte, dann hätte man ihn aufgeknüpft. Und dann soll er katholische Soldaten totstechen, und wenn er sich weigert, würde man ihn aufhängen. Aber er war selbst katholisch. Immer wieder fällt ihm sein Beispiel mit dem Hühnerhof ein. Und er fragt sich, auf welches Huhn konnte man sich als Huhn noch verlassen? In seiner Idealvorstellung leben auf dem großen Hühnerhof weiße und braune Hühner friedlich pickend miteinander und legen Eier. Das kann man auch wie eine Parabel auf die heutige Zeit sehen, wo Verschiedenfarbige/ Verschiedengläubige friedlich miteinander und nebeneinander leben. In unserer Erzählung gelingt dem Gottlieb sogar noch der Ausstieg als Söldner, denn er will für diesen sinnlosen Krieg nicht sterben. Und mit Gottlieb wird uns ein Mensch beschrieben, der nicht nur Befehle entgegennimmt, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Johann erklärt ihm in seiner Ansprache:“ Muss alles immer einen Sinn haben? Fragt dich der Schuster, ob du seine Stiefel zum Laufen brauchst oder zum Reinbrunzen? Du gibst ihm ein paar Groschen und dafür näht er dir die Stiefel. Was damit passiert, ist ihm egal. Wir kriegen unser Geld, damit wir Befehle befolgen. Wenn´s heißt: „Marschieren, Hauen und Stechen! dann schießen, hauen und stechen wir. Ob Gott das will, fragst du? Natürlich will das Gott so. Könnte es sonst geschehen?“. Das stellt Gottlieb nicht zufrieden. Immer wieder gelingt es dem Autor uns aufs Neue zu fesseln und die gesellschaftliche Lage, die Not der Menschen lebhaft vor Augen zu führen. Zu Angst, Gewalt, Willkür, Hunger, kamen auch noch Pest, Hexenverfolgung… Und das über 30 Jahre. So eine lange Zeit der Ungewissheit. Aber Gottlieb erlebt auch mit Freuden mit, wie der Friedensvertrag zustande kommt und kann sich mit seiner Familie über den endgültigen Frieden freuen. Damit endet die empfehlenswerte und wissensreiche Lektüre. Eine Zeittafel und ein Glossar vervollkommnen den Inhalt. Das Cover unterstreicht mit seiner farbigen Darstellung, wo Schießende und berittene Söldner Feuer legen auf dem Erdenball, die Aussage des Buchtitels: „Land in Flammen“. Häuser und Bäume brennen, es qualmt und die Verursacher scheinen kampfeslustig und jubelnd das Spektakel zu genießen. Da wird man als Betrachter doch verlockt, auch in das Buch zu Schauen und zu Lesen. Die Reihe und auch dieser Band sind ein echter Glücksfall und man darf ihr viele Leser wünschen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WS; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 23.09.2019

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