Lametta ist out - Weihnachten in den 80er Jahren

Autor*in
Alexander, Robin
ISBN
978-3-451-29730-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
160
Verlag
Herder
Gattung
Ort
Freiburg
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
12,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Robin Alexander auf der Suche nach der Botschaft von Weihnachten, damals und heute

Beurteilungstext

Die folgende Beurteilung erstreckt sich weitgehend auf die fünfbändige Reihe und ist dementsprechend in weiten Teilen identisch mit der der anderen Bände.
Mit diesen Weihnachtsbänden hat der Herder-Verlag eine Reihe auf den Markt gebracht, die 50 Jahre deutscher Geschichte einmal ganz anders angeht, nämlich unter dem Motto "Weihnachten", dem deutschesten aller deutschen Feste. Weihnachten der 40er, 50er, 60er, 70er und 80er Jahre, jeder Band von einem anderen Autor geschrieben, der seine Kindheit in dem betreffenden Jahrzehnt verbrachte. Jeder hat die Möglichkeit, seinen Band ganz eigen zu gestalten, anders genutzt, und doch ist das Grundmuster unschwer erkennbar: Wie ein Moderator führt der Autor durch das Buch, erzählt, erinnert sich, kommentiert, erklärt (umso nötiger, je weiter die Zeit zurückreicht). In die Texte eingeschoben ist eine Art "Chronik" durch die betreffenden zehn Jahre, die jeweils ganz anders aussieht, aber in ihr wird das Geschehen - nicht nur, aber schwerpunktmäßig - in Deutschland festgehalten: politische, gesellschaftliche, kulturelle Ereignisse von Bedeutung und Bestand. Und wiederum dazwischen eingeschoben kleine literarische Kostbarkeiten von mehr oder weniger bekannten Schriftstellern und Schriftstellerinnen, die sich and die Zeit erinnern oder in ihrem Werk verarbeitet haben. Und das alles immer unter dem Thema Weihnachten.
Hier der (hoffentlich nur vorerst) letzte Band von Robin Alexander, geb. 1975, Redakteur bei "Vanity Fair". Ein wunderbar positives Buch, in dem sich der Autor anstandslos (doch ohne Kitsch) dazu bequemt zuzugeben, dass er Weihnachten mag: den Tannenbaum als Zeichen der Festlichkeit, den Geschenkekauf als Zeichen der Besinnung und des Sich-Gedanken-Machens über die Vorlieben seiner Lieben - die Botschaft, dass ein hilfloses Kind die Welt heil macht, ist stimmig.
Robin Alexander fängt die unterschwellige gesellschaftliche Stimmung ein, die sich in den 80er Jahren breit macht, das Aufbrechen von Normen, vielleicht das Ergebnis der in den 70er Jahren geforderten und begonnenen Änderungen, deren Umsetzung sich nun einschneidend zeigt, beispielsweise in den vielen unbewältigten Scheidungen und zusammengewürfelten Familien, als der Traum von der intakten Familie platzt.
Robin Alexander fasst gut zusammen und mehr als seine Vorgänger interpretiert er, sucht er nach Erklärungen. Die Sitte, Bargeld zu schenken führt zu einer Entzauberung des Weihnachtsfestes, der Bescherung, die letzten Endes in einem Kulturpessimismus resultiert und zugleich das Gefühl vermittelt, Weihnachten drohe verloren zu gehen. Hier steht das Fest als Symbol für die Sehnsucht nach etwas, dem man in den 80er Jahren (und vielleicht auch heute noch) vergebens hinterherläuft.
Neben solchen "privaten" Bereichen lässt Alexander die Politisierung der Zeit, die Weltuntergangsstimmung statt Besinnlichkeit, das Erwachen eines ökologischen Bewusstseins gipfelnd in der Gründung der Partei der Grünen Revue passieren. ER fängt Denken, Tun und Stimmung der Deutschen ein in ihren neuen sozialen und politischen Bewegungen, in die letztlich das Weihnachtsfest mit seiner Botschaft, das Heil komme in eine unvollkommene Welt, nicht passen will.
Robin Alexander gestattet sich einen Ausblick auf die 90er Jahre, als sich die Perspektive - vor allem nach dem SuperGAU von Tschernobyl - vom "großen, unbewältigten Ganzen", an dem man in den 80er Jahren verzagen mochte, auf kleine, aber machbare konkrete Schritte verlagerte: bleifreies Benzin, Öko- und Biomärkte, Verbot von FCKW, langsamer Atomausstieg. Auch Reförmchen sind ein Fortschritt. Es gilt rücksichtsvoll zu leben - und diese Botschaft passt nun wieder genau zu dem, was Weihnachten eigentlich von uns erwartet.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010