Kompass ohne Norden
- Autor*in
- Shusterman, Neal
- ISBN
- 978-3-446-26046-7
- Übersetzer*in
- Herzke, Ingo
- Ori. Sprache
- Englisch
- Illustrator*in
- Shusterman, Brendan
- Seitenanzahl
- 238
- Verlag
- –
- Gattung
- Buch (gebunden)
- Ort
- München
- Jahr
- 2018
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- –
- Preis
- 19,00 €
- Bewertung
Teaser
Der 15jährige Caden ist an Schizophrenie und bipolaren Störungen erkrankt. Der Roman berichtet vom allmählichen Ausbruch der Krankheit und dem drei Monate dauernden Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Ausführlich werden seine Wahnvorstellungen, die Begleitung seiner Eltern durch die Krankheit, die Mitpatienten sowie das Personal und die ärztliche Behandlung im Klinikum beschrieben. Die Handlung ist ausschließlich aus der Sicht und Erinnerung von Caden erzählt.
Beurteilungstext
Dieses Buch lässt niemanden kalt. Wenn man angefangen hat zu lesen, legt man es erst nach dem letzten Satz wieder aus der Hand. Vielleicht liegt es daran, dass es keine Erfindung ist. Die Authentizität kommt daher, dass der Autor die Erfahrungen in seiner eigenen Familie machen musste und dann jahrelang mit seinem einst akut erkrankten Sohn das Werk verfasste. Die Illustrationen stammen ebenfalls von seinem Sohn, die dieser während der unterschiedlichen Erkrankungs- und Heilungsschüben gezeichnet hat. Caden selbst erzählt seine Geschichte und gewährt dabei tiefe Einblicke in die traumatischen Wahnvorstellungen,die er durchleben musste, genauso emotional wie die Erinnerungen an die realen Erlebnisse. Durch seine oft erfrischende Jugendsprache werden die erlittenen Schrecken für die Lesenden erträglich und wecken im Wortsinn Mitgefühl und Einfühlungsvermögen. Beim Lesen ist es oft schwierig, die verschiedenen „Schauplätze“ auseinander zu halten, und das ist wohl genau das, was Caden während seines akuten Krankheitsschubs erlebt hat. Da gibt es das Schiff, eine alte Galeone aus Kupfer, das unaufhaltsam auf einen tiefen Graben voller Ungeheuer und Schlangen zufährt. Der einäugige Kapitän fordert Caden immer wieder dazu auf, den ebenfalls einäugigen Papagei zu töten. Der Schiffsjunge Carlyle sorgt mit seinem Wischmop oft für etwas Trost und Ordnung. Im „Krähennest“ auf dem Mast werden schrille Cocktails ausgeschenkt. Diese Cocktails werden in der Klinik vom ebenfalls einäugigen Chefarzt immer wieder neu gemixt, um endlich die richtige Mischung und Menge für Caden herauszufinden. Experimente, die von grausamen Schmerzen, Ängsten und Verfolgungswahn begleitet sind und unweigerlich wieder auf „das Schiff“ führen. Caden ist ein intelligenter, freundlicher und hilfsbereiter Junge und ist in einer liebevollen Familie aufgewachsen. Schmerzhaft für alle sind die Begegnungen während der Krankheit, denn Caden lehnt seine Eltern plötzlich ab. Wie wichtig die Familie während einer solchen Erkrankung ist, zeigt sich, als Caden seine Mitpatienten und –patientinnen beschreibt. Er muss miterleben, wie sein Zimmergenosse Hal Selbstmord verübt. Dessen Mutter geht sehr egoistisch eigene Wege und lehnt ihren Sohn ab. Anrührend ist, wie sich zwischen Caden und Callie eine kleine Liebesgeschichte anbahnt. Hier beginnt man auch die Regeln der Psychiatrischen Klinik zu hinterfragen. Körperkontakte sind grundsätzlich verboten, zulässig sind nur verbale Interaktionen oder gar keine. Es gibt natürlich die regelmäßigen Gesprächskreise und die Gespräche mit Dr.Poirot, dem Chefarzt. Und Poirot kommentiert Cadens oft patzigen Antworten und ironischen Anmerkungen meist mit „gut“ und verordnet einen neuen Medikamenten-Cocktail. Während des drei Monate dauernden Aufenthalts in der Klinik gehen die „Schauplätze“ Schiff, Klinik, weiße Plastikküche und Cadens reales Zuhause nahtlos ineinander über. Dasselbe geschieht mit den realen Personen und denen seiner Wahnvorstellungen. Wüsste man es nicht besser, könnte man das Buch wie ein fantastisches Märchen empfinden mit allen „klassischen“ Zutaten, wie böser Zauber, Grausamkeit, Liebe, Ängste und schließlich ein bescheidenes Happy End. Happy End heißt in Cadens Fall, dass die Krankheit nicht endgültig heilbar, aber durchaus beherrschbar ist. Wie die Familie des Autors erfahren durfte, kann man damit leben. Sein Sohn habe, so schreibt der Autor in seinem Vorwort, „sein Stück Himmel gefunden und ist aus der Tiefe entronnen“. Das Buch kann Betroffenen und nicht Betroffenen Hoffnung, Hilfe und Verständnis geben.