Kleine Helden – großer Mut. Geschichten, die stark machen

Autor*in
Rogge, Bartam;
ISBN
978-3-499-21338-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Swoboda, Annette
Seitenanzahl
156
Verlag
Rowohlt
Gattung
Ort
Reinbek
Jahr
2006
Lesealter
4-5 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
6,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Geschichten als süße Medizin – ein schöner Gedanke! Denn Prinzessin Pauranella, kurz Schlotterinchen genannt, leidet an dem großen Schlottern. Der besorgte König ruft den weisen Jau-Jau zu Hilfe. Mit seinem Mantel aus tausend Taschen, seinen lachenden Augen und seinem verbeulten Hut erkennt er schnell die richtige Medizin für die kleine Prinzessin: Geschichten, die wie eine Kuschel-decke sind, in die man sich verkriechen kann, wenn man schlottert.

Beurteilungstext

Schon wieder so ein Buch für Kinder mit pädagogischem Zeigefinge, könnte man fragen. Weit gefehlt, denn hier werden Geschichten rund um das Thema Angst für Kinder, über Kinder und vor allem mit Kindern erzählt, wobei die Ängste der Kinder ernst genommen werden. Denn nicht Erwachsene sind es, die die Probleme der Kinder lösen, sondern „normale“ Kinder, die sich ihren Ängsten stellen und daraus gestärkt und selbstbewußt hervortreten – wie kleine Helden. Ähnlich wie in der Sammlung von Tausendundeine Nacht, wo Scheharazade als Hauptperson der Rahmen-erzählung jede Nacht dem König eine Geschichte erzählt, so wird auch hier eine Rahmenhandlung konzipiert, die durch die Binnenerzählung durchbrochen wird.

Hauptperson der Geschichten, die stark machen, ist die kleine Prinzessin Pauranella, die mit ihrem Vater 15 märchenhaften Geschichten des weisen Jau-Jau lauscht. Die sehr einfülsam erzählten Geschichten enden stets mit einem Happy-End, um die Bewältigung der Angst vor der Angst für Kinder zu erleichtern. Die Übergänge werden durch die drei genannten Personen aus der Rahmenhandlung flüssig gestaltet, wodurch sich abgeschlossene Geschichten ergeben. Zudem sind Binnen- und Rahmenhandlung gestalterisch gut zu erkennen, da neben dem Schrifttyp auch Symbole dem Leser als Orientierungshilfe dienen. Die Geschichten eignen sich hinsichtlich der Seitenanzahl gut zum Vorlesen bzw. zum Selbstlesen. Es sind aber auch offene Geschichten, die Kindern Freiraum lassen, gerade in der Auseinandersetzung mit dem Thema Angst, ihre Phantasie spielen zu lassen.
Zum Ende des Buches hin verschmelzen Rahmen- und Binnenhandlung immer mehr, so findet Ritter Zitter, eine Figur aus einer der Geschichten des weisen Jau-Jau, Prinzessin Schlotterinchens Hilferuf in der Flaschenpost und macht sich auf, viele Prüfungen zu bestehen, um der Prinzessin zu Hilfe zu eilen. Am Ende dieser beiden Geschichtenstränge treffen sich Ritter Zitter, der nun Pipino heisst, und Prinzessin Pauranella am Strand. Sie beschliessen, die Mutmach-Sprüche Pipinos wieder ins Meer zu werfen, da sie einerseits gelernt haben, keine Angst mehr zu haben und anderseits die Mutmach-Sprüche an andere Kinder, hier die Leser, weiterzureichen.

Die in schwarzweiß gehaltenen Zeichnungen von Annette Swoboda regen die Phantasie der Kinder an. Sie unterschreichen in ihrer charakteristischen Art die Aussagen der einzelnen Geschichten, indem etwa auf Gestik und Mimik besonderer Wert gelegt wird. Die Sprache ist klar und präzise, die lautmalerischen Umsetzungen bei den Namen und die situationsbedingte Komik unterstützen ebenso die Phantasie der Kinder. Ein schönes Buch, um den Dialog zwischen Kind und Eltern über ein Thema anzuregen, das lange Zeit bagatellisiert worden ist. Doch Kinder spüren nach Meinung der Autoren intuitiv, dass Ängste zum Leben dazugehören, ebenso wie Prinzessin Schlotterinchen, die genauso spürt, dass sie sich mit diesen „schlimmen Dingen“ auseinandersetzen muss, um mit dem Schlottern aufhören zu können. Dies erleichtert die Identifikation mit der Prinzessin, vorwiegend für Mädchen, der kleine Ritter Zitter, der sich mutig den großen Aufgaben stellt, wird sicherlich von Jungen als Identifikationsfigur bevorzugt. In Begleittexten zu Anfang und zum Ende des Buches werden entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern thematisiert und auf die Geschichten des Buches bezogen. Hier wäre es wünschenswert, im Vorwort zumindest auf Anmerkungen der Autoren Geschichten bewältigen Ängste als „Anleitung für Eltern“ aufmerksam zu machen.

Und so überrascht es zum Ende des Buches nicht, dass der anfangs hilflose und besorgte König endlich versteht, dass seine Tochter sich selbst ihrer Angst stellen muss, um hinterher gestärkt daraus hervorzugehen. Eltern wie König müssen begreifen, dass Selbstbewusstsein, Autonomie und Selbstwertgefühl erst dann entstehen und wachsen, wenn Kinder in die Welt hinaus gehen und sich ihrer Ängste stellen können. Ein wichtiges Buch - sowohl für Kinder, die ihren Spass mit den spannenden und „runden“ Geschichten haben werden, als auch für Eltern, die sich so gemeinsam mit ihren Kindern auf den Weg machen können, die Angst vor der Angst zu bewältigen. Wie auch unsere beiden Helden Prinzessin „Schlotterinchen“ und Ritter „Zitter“ lernen sie anhand dieser Geschichten, dass es ganz natürlich ist, Angst zu haben und dass sie uns hilft, mit jedem Tag zu wachsen - und das in jeder Beziehung.

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Diese Rezension wurde verfasst von CK.
Veröffentlicht am 01.01.2010