Kinder mit Stern

Autor*in
Letterie, Martine
ISBN
978-3-551-55762-9
Übersetzer*in
Kluitmann, Andrea
Ori. Sprache
Holländisch/Niederlä
Illustrator*in
Völk, Julie
Seitenanzahl
126
Verlag
Carlsen
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Hamburg
Jahr
2019
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Klassenlektüre
Preis
11,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Aus der Sicht von niederländischen (jüdischen) Kindern wird der Einfall der Nazis in die Niederlande, das Verschleppen von Jüdinnen und Juden, sowie das Lagerleben in Westerbork beschrieben. Es wird im Buch nicht explizit über Vergasung, Tötung oder Zwangsarbeit geschrieben.

Beurteilungstext

Martine Letterie hat mit „Kinder mit Stern“ ein wichtiges Buch gegen das Vergessen geschrieben.

Aus den Sichten von Rosa, Jules, Klaartje, Leo, Ruth und Bennie, niederländischen (jüdischen) Kindern im Kindergarten- bis Grundschulalter, erleben wir den Einmarsch der Nazis in die Niederlande und die immer schärfer werdenden Gesetze gegen Jüdinnen und Juden. Im ersten Teil „So fing es an“ erlebt Bennie an einem Morgen, an dem er eigentlich nur mit Mama und Papa frühstücken wollte und von dem er annahm, es werde ein schöner Tag, den Beginn des Krieges. Rosa und ihre Familie versuchen zu fliehen, müssen aber umdrehen. Jules darf nicht mehr auf den Spielplatz und Leo muss in eine andere Schule gehen. Immer mehr verändert sich die Welt um die Kinder und die Kapitel werden immer beängstigender. Besonders erschreckend fand ich das Kapitel von Rosas Geburtstag, an dem sie sich so freut, endlich auch einen Stern zu tragen, wie alle Kinder ab ihrem sechsten Lebensjahr. Sie fühlt sich groß. Als Leserin musste ich schlucken angesichts der Vorfreude des Kindes auf dieses Symbol. Hier zeigt sich die besondere Stärke des Textes: Das Buch ist konsequent aus der Sicht der Kinder geschrieben, was zum Teil sehr beklemmend ist.

Letztlich kommen alle Kinder und die meisten Familienmitglieder in das Lager Westerbork. Das Leben dort wird im zweiten Teil des Buches „Im Lager“ beschrieben. Jules, den seine Eltern versteckt hatten, als sie selbst abgeholt worden waren, kommt alleine dort an und muss ins sogenannte Waisenhaus. Ruths Papa wird Koch im Lager, weswegen er eine kleine Sonderstellung hat. Ruth gerät beinahe in den Zug, ein Güterzug, der immer wieder Menschen aus dem Lager abholt. Sie weiß nicht, wohin der Zug fährt, fürchtet sich aber instinktiv vor ihm. Auch Rosa hat Angst vor dem Zug, in den alle Menschen aus der Baracke steigen müssen, die mitten in der Nacht von einem Mann vorgelesen werden, wie ihre Mutter ihr erklärt. „Das versteht Rosa. Sie hat den Zug gesehen, kein Mensch will da rein.“ An dieser Stelle zeigt sich, wie der Schrecken, der von diesem Zug ausgeht, von allen Kindern wahrgenommen, wenn auch nicht verstanden wird.

Auch im Lager gibt es schöne Momente. Bennies Familie bekommt ein Paket, alle Kinder feiern gemeinsam das Laubhüttenfest und es kommt sogar der Nikolaus. Die bedrückende Stimmung lässt jedoch kaum nach. Gegen Ende dieses Teils müssen immer mehr Kinder mit dem Zug fahren. Auch Rosa. Die kluge Lehrerin gibt den wenigen, verbliebenen Kindern besonders schwere Rechenaufgaben, um sie abzulenken.

Der letzte, sehr kurze Abschnitt „Frieden“ widmet sich der Zeit nach Ende des Krieges und erzählt von der Befreiung durch kanadische Soldaten, die Ruth Schokolade schenken; von Bennie, der mit seinem Vater die Wertsachen abholen möchte, die der Vater zu Beginn des Krieges Herrn Muller anvertraut hat (und der sie nun nicht zurückgibt) und von Klaartje, die mit ihrer Mutter ins Kino gehen möchte und feststellen muss, dass der Krieg auch außerhalb des Lagers viel zerstört hat, das Kino eingeschlossen.

Die Aquarelle von Julie Völk illustrieren ohne viel Farbe und auf weißem Hintergrund die zum Teil bedrückenden Szenen. Die drei Teile des Buches werden mit Bildern von Leo Meijer eingeleitet. Er wurde am 6. Oktober 1944 in Ausschwitz vergast.

Das Buch ist definitiv nichts, was man einem Kind schenken und es damit alleine lassen könnte. Das diffuse Angstgefühl ohne die nötigen Erklärungen eines Erwachsenen würden wahrscheinlich mehr verwirren als aufklären. Für wen ist dieses Buch also geschrieben? Handelt es sich überhaupt um ein Kinderbuch oder ist es eigentlich ein Buch für Erwachsene? Zum Einschlafen würde ich es jedenfalls nicht vorlesen.

Im Nachwort erklärt die Autorin, dass sie mit ihrem Buch Kinder, auch schon kleine Kinder erreichen möchte, damit diese „später vernünftige Erwachsene werden, die wissen, welche Folgen es haben kann, wenn man andere ausschließt.“ Sie erläutert auch ihre Hintergrundrecherche und ihre Zusammenarbeit mit dem Erinnerungszentrum Westerbork.
Am ehesten würde ich das Buch in der Schule einsetzen, gut eingebunden in Religions- und Geschichts-/Sachunterricht und sicher nicht vor der dritten Klasse. Dann sind die Protagonist*innen zwar jünger als die Lesenden, so kann ich als Lehrerin aber gut aufgreifen, inwiefern sich beispielsweise Rosa über ihren Stern freut und welche Hintergrundbedeutung dieser hat, die die Kinder der Klasse, nicht jedoch die sechsjährige Rosa, kennen. Auch ältere Schülerinnen und Schüler können sich mit diesem Buch auseinandersetzen. Vielleicht als Ergänzung oder Alternative zu Anne Franks Tagebuch.

Insgesamt ein bedrückendes, aber wichtiges und sehr empfehlenswertes Buch.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von nha; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 24.06.2019

Weitere Rezensionen zu Büchern von Letterie, Martine

Letterie, Martine

Kinder mit Stern

Weiterlesen
Letterie, Martine

Kinder mit Stern

Weiterlesen
Letterie, Martine

Kinder mit Stern

Weiterlesen
Letterie, Martine

Kinder mit Stern

Weiterlesen
Letterie, Martine

Kinder mit Stern

Weiterlesen
Letterie, Martine

Rätselhafte E-Mails für Tim

Weiterlesen