Kein Kuss für Mutter

Autor*in
Ungerer, Tomi
ISBN
978-3-257-01178-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
48
Verlag
Diogenes
Gattung
Ort
Zürich
Jahr
2014
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der Kater Toby Tatze hasst es, wenn seine Mutter ihn küsst, vor allem in der Öffentlichkeit ist es unerträglich. Er ist schon lange nicht mehr das süße Baby, das muss Mutter doch endlich mal verstehen.

Beurteilungstext

1974 ist Tomi Ungerers "Kein Kuss für Mutter" zum ersten Mal deutschsprachig bei Diogenes erschienen und liegt jetzt in einer schönen gebundenen Neuauflage mit Schutzumschlag und bedrucktem Hardcover vor, wie es sich für einen Klassiker gehört. Kater Toby Tatze hat die 40 überschritten und ist eigentlich in die Jahre gekommen, doch hat seine Geschichte nichts an pädagogischer Brisanz eingebüßt. Im Gegenteil: War der Trend in den 70er Jahren die antiautoritäre Erziehung, ist heute das Zauberwort "Grenzen setzen", so dass es hier sicherlich interessante Unterschiede in der Rezeption gibt. Auch sind Figuren wie Kater Toby heute eher selten, zumal in dieser Altersklasse. Toby ist nicht nur ein Rüpel, der den einen oder anderen Fehler macht, für den er sich dann reumütig entschuldigt, er ist ein Draufgänger, der echten Schaden anrichtet, sich bis aufs Blut prügelt, auf dem Schulklo raucht, die besten Stinkbomben baut, routiniert und planvoll den Unterricht stört und seine ihn über alles liebende Mutter permanent kränkt. Toby ist ein Schrecken für alle braven Mädchen in der Klasse und ein Graus für jeden Lehrer, dem die Routine von Frau Schnurrepott fehlt: Sie setzt ihn regelmäßig vor die Tür, nennt ihn öffentlich den Klassenclown, wundert sich, wenn er mal nicht stört, und erlaubt ihm früher zu gehen, weil es ihm ja offensichtlich dann nicht gut geht. Heute landen solche Schüler ziemlich sicher beim Schulpsychologen, und es wird den Eltern mindestens eine Verhaltenstherapie angeraten, umso dringlicher, wenn herauskommt, was Ungerer zeichnet: dass Toby von seinen Eltern geschlagen wird - die Mutter gibt ihm in der Öffentlichkeit eine Ohrfeige, der Vater verdrischt ihn mit dem Stock, wenn er über die Stränge schlägt. Auch das gilt heute als Tabu, sogar als Straftat. Der freche Kater ist auf jeden Fall ein schlechtes Vorbild und hat somit in einem pädagogisch motivierten Kinderbuch eigentlich nichts zu suchen. Und dennoch ist "Kein Kuss für Mutter" ein großartiges Buch, mit einer wunderbaren, streitbaren Hauptfigur. In den schwarz-weißen Zeichnungen Ungerers verdichtet sich dieses pralle, impulsive Leben, das Aufmüpfige und Widerspenstige des kleinen Katers fast greifbar. Sehr genau erfasst er den Moment, in dem sich das jeweilige Gefühl am deutlichsten zeigt, sei es Wut, Rage, Schmerz, Schuldbewusstsein oder Schadenfreude bei Toby oder aber Zärtlichkeit, Fürsorge, Enttäuschung und Kränkung bei der Katzenmutter Frau Angora Tatze, die ihren Sohn mit ihrer grenzenlosen Liebe zu dieser rebellischen Protesthaltung treibt. Er findet dazu treffende Bilder, die die Atmosphäre bis zur fühlbaren Spannung verdichten und ergänzt sie durch Details, die die Situation oder den Charakter unnachahmlich machen, wie z.B. die extravagante Mode der Mutter oder die Szene kurz vor der Versöhnung, als Toby an der Tür steht und die Mutter mit einem Kamm die Fische schuppt. Text und Bild gehen eine durchgängig perfekte Verbindung ein, steigern einander. Durch den Untertitel "Eine Geschichte über zu viel oder zu wenig Liebe" wirft Ungerer die interessante Frage auf, an welcher Stelle wer zu viel oder zu wenig liebt oder geliebt wird. Wo zu viel Liebe ist, ist schnell beantwortet, doch wo zu wenig Liebe herrscht, erfordert doch ein tieferes Nachdenken oder gar die Frage, ob die Art des Zuviel unweigerlich zu einem Mangel führt; in jedem Fall ein guter Ausgangspunkt für eine eigene Standortbestimmung in Sachen Liebe und Familie.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Bob; Landesstelle: Berlin.
Veröffentlicht am 18.11.2015

Weitere Rezensionen zu Büchern von Ungerer, Tomi

Ungerer, Tomi

Non Stop

Weiterlesen
Ungerer, Tomi

Dies und Das

Weiterlesen
Ungerer, Tomi

Non Stop

Weiterlesen
Ungerer, Tomi

Dies und Das

Weiterlesen
Ungerer, Tomi

Non Stop

Weiterlesen
Ungerer, Tomi

Non Stop

Weiterlesen