Katertag. Oder: Was sagt der Knopf bei Nacht?

Autor*in
Dürig, Karen
ISBN
978-3-551-52034-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
110
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2011
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Nicos Vater wird alkoholkrank, nachdem er seine Arbeit als Architekt verloren hat, worunter die gesamte Familie eklatant leidet. In einem Brief an den Vater, der inzwischen in der Entzugsklinik ist, erzählt Nico die traurige Geschichte. Der Briefroman schließt mit der Antwort des Vaters, der seinen Sohn um Verzeihung bittet.

Beurteilungstext

Nico ist verzweifelt: Seine Familie ist beinahe an dem Alkoholproblem seines Vaters zerbrochen. Bis der Vater seine Arbeit beim Bauamt verlor und zu trinken begann, lebte er recht zufrieden mit seiner Mutter, genannt Mim, und der kleinen Schwester Sasa, zu der der Ich-Erzähler ein sehr enges Verhältnis hat. Authentisch und offen berichtet er von den einschneidenden Ereignissen, den Trink-Eskapaden seines Vaters, in einem Text, der als Brief an seinen Vater gestaltet ist. Er erzählt, wie es ihm mit allem gegangen ist - davon, wie der Vater das erste Mal betrunken ist, wie er beginnt, sich in Lügengebäude zu verstricken und die Familie zu tyrannisieren. Sasa und Nico können ihren Vater aufgrund seines Verhaltens nicht mehr Papa nennen, signalisieren stattdessen ihre Distanz, indem sie ihn nur noch als den "Eunk" bezeichnen, nachdem er einmal versucht hat, ein Schwein nachzumachen, als er den Kindern vorwarf, die Küche nicht aufgeräumt zu haben, die er selber nach einem "Fressflash völlig auf den Kopf gestellt hatte" (S. 19). Einen Höhepunkt erreichen die Ereignisse, als Nico sich in Nele verliebt und der betrunkene Vater das Mädchen sexuell belästigt, nachdem Nico selber gerade den ersten sexuellen Kontakt mit der Freundin hatte. Dem Jungen ist das Verhalten seines Vaters so peinlich, dass er die Beziehung zu dem Mädchen abbricht. Doch es kommt noch schlimmer: Bei einem Ausflug ins Euro-Disneyland Paris versetzt der Vater seine Kinder in Todesängste, als er mit ihnen betrunken über die Autobahn rast und sie gleich darauf ohne Gepäck im Hotel zurücklässt , von wo aus Nico und Sasa schließlich verzweifelt ihre Mutter anrufen, die sie abholen kommt. Der Roman endet mit dem Antwortbrief des Vaters, der seinen Sohn reumütig um Verzeihung bittet und in der Entzugsklinik Distanz zum eigenen kranken Verhalten entwickelt.
Mit diesem Briefroman hat Karen Dürig, Jahrgang 1982, die nach einem Studium der Wirtschaftskommunikation in Berlin Literarisches Schreiben in Biel/Schweiz studierte, ihr Debüt vorgelegt, für das sie gleich mehrere Ehrungen erhielt (Schreibwettbewerb "Der Goldene Pick", Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis durch die Jugendjury). Das Innovative des Romans besteht vor allem in dem Kunstgriff, Nico einen Brief an seinen Vater schreiben zu lassen. Ansonsten ist er literarisch eher als traditionell zu bezeichnen und erinnert thematisch stark an klassische problemorientierte Texte der 70er und 80er Jahre mit moralisch-pädagogischem Impetus, der sich vor allem durch den Antwortbrief des geläuterten Vaters verstärkt. Fragwürdig ist auch, ob die Autorin mit ihrem Text tatsächlich den Ton jugendlicher Leser getroffen hat. So stolpert man vor allem über die Formulierung "Geschlecht", die der Ich-Erzähler wählt, als er seinem Vater von seinen ersten sexuellen Erfahrungen berichtet (S. 54ff.). Überhaupt drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob ein Jugendlicher seinem Vater tatsächlich in dieser Deutlichkeit von intimen Erlebnissen erzählen würde, wie Nico es tut. Zudem kann man den Schluss als bedenklich bezeichnen, eröffnet er doch für Kinder von alkoholkranken Eltern eine Hoffnungsperspektive, die nicht unbedingt realistisch ist. Auch wird ausgeblendet, dass viele Jugendliche im Alter des Protagonisten selbst häufig mit Alkohol Kontakt haben, was aber bei Nico nicht der Fall ist.
Nichts desto trotz überzeugt der Roman durch Spannung, hohes Erzähltempo und Direktheit sowie durch seine Briefform und ist daher jugendlichen Lesern zu empfehlen, die mehr über Alkoholismus wissen möchten.

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Diese Rezension wurde verfasst von kku.
Veröffentlicht am 01.01.2010