Kalif Storch

Autor*in
Hauff, Wilhelm
ISBN
978-3-85581-271-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Capek, Jindra
Seitenanzahl
30
Verlag
Bohem Press
Gattung
Märchen/Fabel/Sage
Ort
Zürich
Jahr
1994
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Ein Kalif und sein Großwesir verwandeln sich durch einen geheimen Schnupftabak in Störche, vergessen aber den Spruch, um sich zurück in Menschen zu verwandeln.

Beurteilungstext

Wilhelm Hauffs Märchen über den Kalifen, der sich in einen Storch verwandelt und nicht wieder zum Menschen werden kann, ist für viele vielleicht nicht das, was sie unter einem typischen Märchen verstehen würden. Vergleicht man es beispielsweise mit den gesammelten Märchen der Gebrüder Grimm, fällt sofort der Orient als fremder Schauplatz auf. Natürlich enthält auch Kalif Storch die typischen Figuren, die so ein Märchen ausmachen, nämlich den guten Kalifen, den bösen Hexenmeister, der ihn vom Thron stoßen will, und am Ende eine Art gute Fee in Gestalt einer Eule, die den Kalifen rettet, damit ihren eigenen Flucht bricht und seine Frau wird.
Trotzdem sollte man sich die Frage stellen, ob dieses Märchen eines für Kinder ist. Sowohl der manchmal etwas fremd wirkende Text, bedingt durch seine Entstehungszeit, wie auch die Bilder von Jindra Capek wirken auf Kinder vermutlich irritierend, im Fall der Zeichnungen vielleicht sogar verängstigend.
Die Sprache wirkt teilweise etwas altmodisch, mit Sätzen wie ‘man merkte, dass es ihm recht wohl war’ für ‘er fühlte sich gut’, aber eben diese Sprache macht einen großen Teil des Besonderen dieses Buches aus, da es sich um eine Fassung handelt, die dem Originaltext von 1826 sehr nahe kommt.
Wohl typisch orientalische Begrüßungsrituale des Kalifen als er auf seinen Großwesir trifft oder Anmerkungen über die Behandlung der Palastsklaven, sind weitere Details, die darauf schließen lassen, dass es sich um ein Märchen für Erwachsene handelt, da diese solchen Textstellen andere Bedeutung zumessen.
Die Geschichte des Kalifen nimmt nun ihren Lauf, als er nach dem Krämer schickt und ihm dieser ein kleines Döschen Schnupftabak verkauft, das eine angeblich unbekannte Formel enthält. Kalif und Großwesir lassen einen Gelehrten zu sich rufen, der ihnen unter Androhung der Folter verraten soll, was auf dem kleinen Zettel in der Dose steht. Untertänigst berichtet er was dort in Latein geschrieben steht: Wer den Tabak schnupft und dabei das Wort ‘Mutabor’ spricht, kann sich in jedes Tier verwandeln. Lacht er dann jedoch, verschwindet das Wort aus seinem Gedächtnis und er wird nie wieder ein Mensch werden. Der Kalif, der unbedingt erfahren möchte, was unter den Tieren gesprochen wird, verwandelt sich am nächsten Morgen zusammen mit seinem Großwesir in einen Storch. Amüsiert belauschen sie zwei Storchendamen, die sich über ein geplantes Fest unterhalten. Als eine beginnt, ihren einstudierten Tanz aufzuführen, tun die beiden verwandelten Menschen das Verbotene und lachen. Das geheime Wort ‘Mutabor’ verschwindet aus ihrer Erinnerung und sie bleiben Störche.
Im Folgenden fließt nun der politische Aspekt ins Märchen ein, als sich nämlich nach vier Tagen, in denen der Kalif sich nicht hat sehen lassen, Mizra, der Sohn der Todfeindes des Kalifen, zum neuen Herrscher über Bagdad ausrufen lässt. Auch ein religiöses Element tritt nun in Erscheinung als der Kalif als letzten Ausweg, den Fluch zu brechen, beschließt, zum Grab des Propheten zu pilgern und dort um Erlösung zu beten. Beide Elemente sind in den Fassungen für Kinder entweder gar nicht vertreten oder stark reduziert.
Durch Zufall gelangen die beiden Störche zu einer alten Ruine, in der sie die Nacht verbringen wollen. Dort treffen sie überraschend auf eine weinende Nachteule und erkennen, dass es sich bei ihr ebenfalls um einen verwunschenen Mensch handelt. Ihr Flucht ist, dass sie erst dann wieder ein Mensch wird, wenn sie ein Wesen findet, dass sie trotz ihrer hässlichen Eulengestalt zur Frau nimmt. Sie gibt an, eine Prinzessin zu sein, die sich weigerte den Thronräuber Mizra zu heiraten und daher verzaubert wurde. Die Eule schließt mit den Störchen einen Pakt: Sie verrät ihnen, wo sich der Zauberer mit seinen Freunden trifft, damit sie dort das geheime Wort belauschen können, wenn sie als Gegenleistung einer von ihnen zur Frau nimmt.
Kalif und Wesir ziehen sich zur Beratung zurück, denn keiner der eitlen Männer will eine hässliche Frau an seiner Seite haben. Beide achten weniger darauf, dass die ‘Eule’ liebenswert und hilfsbereit ist. Für die Männer steht ihr Aussehen im Vordergrund, das sie in ihrer gesellschaftlichen Position blamieren könnte. Doch schließlich einigen sich die beiden und der Kalif verspricht, die Prinzessin zur Frau zu nehmen, wenn sie beide wieder erlöst sind. Sie belauschen tatsächlich das Gespräch unter den Zauberern und erkennen dabei, den Krämer, der ihnen die Schnupftabaksdose verkauft hat. Froh, endlich wieder ihre menschliche Gestalt zu haben, sehen sich die beiden Männer plötzlich einer wunderschönen, jungen Frau gegenüber. Wir ahnen es bereits: es ist die verwunschene Nachteule. Nun freut sich der Kalif, dass er seine so hübsche Braut an seiner Seite hat, als er nach Bagdad zurückkehrt und jubelnd vom Volk empfangen wird, das ihn bereits für tot hielt.
Die Geschichte endetet damit, dass der hexerische Krämer in der Ruine erhängt wird und dessen Sohn, der unrechtmäßige Thronherr Mizra, um sein Leben zu schützen, ebenfalls von dem Tabak schnupfen muss und sich in einen Storch verwandelt, der in einen winzigen Käfig gesperrt und im Garten des Kalifen aufgestellt wird.
Ein kleines Manko: man erfährt nirgends im Buch etwas über den Autor Wilhelm Hauff (1802-1827), der neben Novellen und Erzählungen auch durch seine Kunstmärchen berühmt wurde, oder den Illustrator Jindra Capek, dessen Bilder sehr individuell und künstlerisch sind, aber nochmals die These stützen, dass es sich um kein Kinderbuch handelt, da manche Bilder durch verzerrte Gesichtszüge, hässliche Fratzen und knochige Finger für Kinder doch sehr erschreckend wären.

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Diese Rezension wurde verfasst von Rut.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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