Jasmin Behringer - Ich und die Kanzlerin

Autor*in
Baltscheit, Martin
ISBN
978-3-414-82225-3
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Baltscheit, Martin
Seitenanzahl
110
Verlag
Boje
Gattung
Ort
Köln
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Eine ganz andere Art der "politischen Bildung": Bericht von einem einwöchigen Praktikum im Bundeskanzleramt. Wenn im Titel nicht "von Martin Baltscheit" stehen würde, nähme man den Bericht als eben solchen. Sehr abgeklärt und humorvoll, fast immer gut nachvollziehbar und ganz nebenbei ausgesprochen lehrreich, glitte der Bericht nicht zuzeiten ein wenig ins Absurde.

Beurteilungstext

Beginnen wir mit der Kritik, damit wir sie hinter uns haben. Gleich zu Beginn übertreibt der Autor / die Praktikantin derart, dass es sich nur um Fantasie handeln kann. Eine Praktikantin vertritt die Bundeskanzlerin beim Staatsbesuch, weil die sich mal gerade etwas ausruhen will. Dagegen ist der "Bunker" unter dem Bundeskanzleramt zum Schluss einfach ein bisschen Satire: Die ehemaligen Bundeskanzler der Bundesrepublik verfolgen und kommentieren "unter der Erde" das Geschehen ‚oben'.
Aber nun schnell zum vielen Positiven:
Weißes Buch mit ganz hartem Deckel, abgerundete Ecken - auch die der Seiten. Schwarze Schrift, die man (vielleicht) noch als Schreibmaschinen-Typographie erkennt, wechselt sich ab mit einem angenehmen blassen Grünblau für die Kommentare, die - wie es sich für einen Praktikumsbericht gehört - jeweils am Seitenende in der Fußzeile erscheinen, fast immer mit Quellenangabe, fast immer - wie es sich für ein modernes junges Mädchen gehört - mit dem Hinweis auf Wikipedia.
Wer die Nachbemerkung von Martin Baltscheit nicht vorab liest, der ist in der Tat nicht abgeneigt, von einer "Wirklichkeit" auszugehen. Zu viele Einzelheiten sprechen für den Raum, zu viele für die Personen und ihre Aufgaben im "BK" (Bundeskanzleramt). Dazu gibt es das Foto einer jungen Dame, das die Existenz von ‚Jasmin Behringer' ‚wahr macht'. Dazu kennt jeder von uns Zeitungsberichte, die davon berichten, dass ein Abgeordneter einem Schüler / einer Schülerin einen Tag im Leben des MdB (Mitglied des Bundestags) bietet. Warum also nicht die Kanzlerin?

Den ungewöhnlichen Praktikumsplatz hat Jasmin ihrem Onkel zu verdanken, wobei wir nichts Näheres über dessen Einfluss und Beruf erfahren. Er wollte nur einen vernünftigen Grund wissen, warum seine Nichte gerade diesen Praktikumsplatz besuchen wollte, und den gab sie ihm: Das Praktikum soll der Vierzehnjährigen Klarheit bringen, ob sie ihren Wunsch, selbst Bundeskanzlerin zu werden, weiterverfolgen soll.

Jeden der fünf Tage verbringt sie nun in einem anderen Ressort des BK und lernt damit die verschiedenen Arbeitsabläufe kennen. Wir mit. Da gibt es das Vorzimmer-Büro mit Frau Schiller, die offensichtlich nichts aus der Ruhe bringen kann. Dann gibt es die Auswerter der Tagespresse, die jeden Morgen ab 05:00 Uhr lesen, ausschneiden, scannen ud eine kurze Zusammenfassung für die Chefin erstellen. Da arbeitet auch Alwin, knapp über 20 Jahre alt und vielleicht favorisiert, unsere Jasmin später auf dem Weg zu ihrer Kanzlerschaft zu begleiten. Dann kommt sie in den kleinen Sturm, den der Rücktritt eines Ministers ausmacht (seine Frau sei krank), kommt in eine Pressekonferenz, sieht den Aufmarsch zur Kabinettssitzung, dann aber nur die verschlossene Tür wie alle anderen.
Selbstverständlich nimmt die Praktikantin auch (als Zuschauerin) an einer Parlamentssitzung teil, ist besonders begeistert von den "Pinguinen" und den Parlamentsschreibern, die selbst jeden Zwischenruf notieren und mit der Person benennen.

Den Redenschreiber bekommt Jasmin nicht zu Gesicht. Vermutung: Der sitzt irgendwo am Strand und arbeitet von dort aus. Dafür verliebt sie sich ein wenig in den 10 Jahre älteren Alwin und es kommen ihr einige Ideen, die sie verwirklichen wird, wenn sie erst selbst Kanzlerin geworden ist. Überraschend und unkonventionell, in der Tat aber nachdenkenswert. Dieser Satz ist "unter 3", d. h. in der Sprache des BK: "Alles, was ich sage, kannst du schreiben und sagen, dass es von mir ist." (Anmerkung: "Unter 2" heißt dann: "Schreib alles, aber erzähl nicht, von wem du es hast." Und am schärfsten natürlich "Unter 1": "Nichts schreiben, nichts sagen, einfach nur wissen.")

Höchst kurzweilig geschrieben, oft mit Humor und Weitsicht gewürzt, die wir einer Vierzehnjährigen nur dann zutrauen, wenn sie SEHR aufgeweckt ist. Eine ausgesprochen sympathische Figur hat Baltscheit also entwickelt, der er als kleine Zugabe ein Heftchen (Die Königin von Deutschland - in lateinischer Schönschrift verfasst und mit vielen Bildern verziert) zur Seite stellt, das angeblich der kleine, siebenjährige Bruder von Jasmin geschrieben hat. Der stellt - wie es Geschwister öfter einmal machen - zwar seine Schwester als Scheusal hin, liebt sie aber natürlich in Wirklichkeit und schenkt ihr zum Schluss die Rose, die er der Bundeskanzlerin beim Geburtstagsständchen mit seiner Klasse im BK nicht überreichen konnte.

Ein Buch für alle Schüler ab 14 Jahre, auch (und besonders) für die, denen der Politik-Unterricht in der Schule wenig Freude macht.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uhb.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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