Iskender

Autor*in
Schulz, Hermann
ISBN
978-3-551-35674-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
229
Verlag
Carlsen
Gattung
Ort
Hamburg
Jahr
2007
Lesealter
ab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
6,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Als der türkische Gastarbeiter Asaf von der Existenz seines Sohnes erfährt, ist dieser schon 7 Jahre alt und lebt nach dem Tod der Mutter in einem Heim für geistig behinderte Kinder in Duisburg. Asaf fühlt sich verantwortlich für das Kind. Er nimmt Kontakt zu ihm auf, besucht ihn regelmäßig und entführt ihn schließlich in die Türkei. Bei den Großeltern soll Alexander die Chance bekommen, ein normales Leben zu führen. Aber ganz so einfach ist das, denn es ergeben sich diplomatische Probleme...

Beurteilungstext

Hermann Schulz greift in seinem Buch "Iskender" das authentische Schicksal eines kleinen Jungen auf, dessen Entführung aus einem Heim für "Schwachsinnige" 1968 im Ruhrgebiet Aufsehen erregte. Die Geschichte des Gastarbeiters Asaf, der seinen Sohn in einem Kinderheim ausfindig macht, gegen dessen seelischen Schäden ankämpft und ihn schließlich ins anatolische Yeniköy entführt, zieht den Leser schnell in ihren Bann. Die türkischen Großeltern nehmen den scheuen, schweigsamen und etwas sonderbaren Jungen ohne zu fragen auf. Mit Interesse verfolgt man, wie es dem Schafzüchter Rauf Karpat und seine Frau Ayse gelingt, den Jungen durch Liebe, Geduld und Vertrauen in ihr einfaches dörfliches Leben integrieren. Schon bald hütet er gemeinsam mit anderen Jungen die Schafe und unterscheidet sich kaum noch von seinen Altersgenossen.
An dieser Stelle bricht die Handlung vorerst ab und ein neuer Handlungsstrang setzt ein. Der Deutsche Paul Lehmann ist zu Gast in der Türkei und verliebt sich in die Enkelin seiner Gastgeberin. Leyla ist eine moderne und selbstbewusste junge Frau, die an der deutschen Botschaft in Ankara arbeitet. Auf einer Reise durch das Land genießen die beiden ihre Liebe, aber auch die Schönheit und Widersprüchlichkeit des Landes. Doch Leyla ist nicht nur privat unterwegs, sondern auch mit dienstlichem Auftrag: Sie soll den illegal in der Türkei lebenden Alexander nach Ankara holen und von dort aus wieder nach Deutschland zurückschicken...
Das Schicksal des kleinen Alexanders ist durchaus anrührend und man erwartet mit Spannung den Ausgang der Geschichte. Trotzdem werden sich jugendliche Leser wohl nur sehr vereinzelt durch dieses Buch angesprochen fühlen. Die Thematik des psychisch kranken Kindes ist schon sehr speziell und entspricht kaum der Lebenswelt und den Interessen jugendlicher Leser. Thematik und literarische Umsetzung orientieren eher auf ein erwachsenes Publikum. Das hängt auch damit zusammen, dass die Hauptfigur ein 7- jähriges Kind ist und alle anderen handelnden Personen Erwachsene. Für ein jugendliches Publikum gibt es kaum Identifikationsmöglichkeiten. Trotz seines ungewöhnlichen Schicksals wirkt die Figur des Alexander ein wenig blass. Sie handelt kaum, erscheint eher passiv. Leider ist es kaum gelungen darzustellen, was in dem Jungen wirklich vorgeht. Einzige Ausnahme bildet die Szene, in der er beim eigenständigen Käsemachen den großelterlichen Geräteschuppen verwüstet...
So bleibt dieser Protagonist dem jugendlichen Leser wohl ein wenig fremd, ebenso wie der eifrig um das Kind bemühte Asaf, dessen Vaterschaft letztlich ungeklärt bleibt.
Sicher besteht eine Autorintention darin, ein anderes, differenzierteres Bild vom Land Türkei zu zeichnen, als man es üblicherweise durch Urlaubsreisen in die bekannten Feriengebiete kennt. Weitgehend ist das auch gelungen. Doch die Gegenüberstellung von "gesundem, dörflichen, natürlichen, humanen Leben" in den ländlichen Gegenden der Türkei und "moderner, individualistischer, bürokratischer, lieb- und ratloser Industriegesellschaft" im deutschen Ruhrpott wirkt plakativ, fast etwas märchenhaft. Irgendwie verläuft die Heilung des Jungen auf dem türkischen Land zu glatt. Der Erfolg wird auch der Tatsache zugeschrieben, dass die türkischen Großeltern der Religionsgemeinschaft der Aleviten angehören. Zu dieser Thematik gibt es aber eher oberflächliche Andeutungen, die unbedingt durch Anmerkungen hätten erklärt werden müssen.
Vor allem die Liebesgeschichte von Paul und Leyla im zweiten Teil des Buches ist voller Klischees und mutet insgesamt etwas verstaubt an. Jugendliche Leser wird sie kaum begeistern. In Bezug auf den Jungen handeln Leyla und Paul und letztendlich auch die anderen beteiligten Personen verständnisvoll und nach hohen moralischen und ethischen Werten, so dass man als Leser den positiven Ausgang über den Verbleib des Jungen dankbar annimmt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von T-ar.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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