Ina aus China oder Was hat schon Platz in einem Koffer?

Autor*in
Hornfeck, Susanne
ISBN
978-3-423-62330-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
288
Verlag
dtv
Gattung
Ort
München
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
8,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Als 7jährige kommt Chen Yinna 1937 aus dem von den Japanern besetzten Shanghai nach Deutschland in ein kleines Dorf in Brandenburg. Dort lebt sie bei Frau von Steinitz, wird eingeschult, findet Freundinnen, gewöhnt sich an all das Fremde - das Essen, die Sprache, die Gewohnheiten. Durch die Kriegsereignisse muss sie aber wieder flüchten und ist dann in den 50er Jahren in Taiwan auf der Suche nach einer Heimat.

Beurteilungstext

Die junge Chinesin, die auf dem Markt in Taipeh (Insel Taiwan) einkauft, sieht aus wie eine Chinesin, fühlt sich aber kein bisschen wie eine Einheimische, was nicht nur an ihren mangelnden Sprachkenntnissen liegt.
Sie erinnert sich (rückblickend) an ihre Kindheit im Shanghai der 30er Jahre. Dort ist sie als Yinna (das Silbermädchen) wohlbehütet aufgewachsen. 1937 macht sich ihr Vater zunehmend Sorgen um die Sicherheit seiner Familie, denn japanische Truppen rücken aus den bereits seit 1931 besetzten Gebieten in der Mandschurei nach Süden vor. Durch Kontakte nach Deutschland - einige Cousinen und Cousins von Yinna studieren dort - gelingt es dem Vater, die erst 7jährige Yinna, sein einziges Kind, gemeinsam mit der großen Cousine Meihua auf die lange Reise um den halben Erdball nach Deutschland zu schicken. Sie lebt nun bei der Offizierswitwe Frau von Steinitz in einem kleinen brandenburgischen Dorf. Zunächst ist sie entsetzt über all die seltsamen Sitten der Deutschen (z.B. die Ernährung, die Tischsitten), die seltsame abgehackte Sprache, aber sehr schnell gewöhnt sich die aufgeweckte Yinna, die nun Ina heißt, an das neue Leben im faschistischen Deutschland. Sie findet Freundinnen, lernt sich durchzusetzen, erfährt immer wieder den Rückhalt von Frau von Steinitz, die sie bald liebevoll "Muma" nennt. Dann muss sie allerdings auch erleben, wie ihre beste Freundin und deren Familie als sog. Halbjuden das Land verlassen und ausgerechnet nach Shanghai gehen, das zwischen 1938 und 1939 noch die einzige Zuflucht für jüdische Emigranten ist. Ihre Freundin fürchtet sich vor der Fremde und der Sprachlosigkeit, und nun ist Ina in der Rolle der tröstenden und unterstützenden Freundin, indem sie Inge Chinesisch beibringt und ihr von den Schönheiten ihres geliebten Kindheitsparadieses erzählt. Eine der schrecklichsten Erfahrungen von Fremdheit macht Ina, als sie den ersten Brief ihres Vaters erhält (natürlich auf chinesisch) und ihn nicht lesen kann. Sie hatte vor ihrer Abreise noch nicht richtig (chinesische Schriftzeichen) lesen gelernt, so dass sie nun die Hilfe ihrer Cousine braucht. Ein weiteres Moment der gefühlten Heimatlosigkeit ist die Tatsache, dass sie als Chinesin plötzlich als Feindin der Deutschen erscheint, denn die Japaner sind die Verbündeten Deutschlands in Asien. Wer ist sie nun eigentlich? Wohin gehört sie und wo ist ihre Heimat? Dieses zwischen zwei Welten stehen, zieht sich durch Ina/Yinnas Leben auch nach dem Verlassen Deutschlands 1945, ihrer Flucht über die Schweiz und England nach Taiwan. Im Schweizer Internat wird sie als "chalbe dütsch" wahrgenommen, weil sie "nach der Schrift spricht". Ihr Spitzname ist "die Preußin", weil sie so ordentlich und pünktlich ist. In Taiwan, der tropischen Insel leidet sie unter dem Klima und ist schockiert von der noch herrschenden Unterentwicklung (z.B. keine WCs in den Häusern).Als sie ankommt bringt sie einen Flughafenbediensteten völlig aus der Fassung, als dieser feststellen muss, dass diese Chinesin kein Chinesisch kann.
Dieser Roman der Sinologin und Übersetzerin Susanne Hornfeck beruht auf einer wahren Geschichte, die sie gekonnt, glaubwürdig und spannend erzählt. Interessant und gelungen ist vor allem der Blick von außen und in der (fiktiven) Rückschau auf das Leben im faschistischen Deutschland. Auch wenn es manchmal etwas unwahrscheinlich ist, wie genau und sensibel eine 7-10Jährige ihre Umgebung wahrnimmt, sich und anderen Fragen stellt und beobachtet, ist dies doch als Kunstgriff der Autorin erlaubt, um die Atmosphäre in einem Dorf in der Nazizeit zu beschreiben und spürbar zu machen. Sehr realistisch und überzeugend schildert sie die Gefühle eines Kindes, das ohne Familie in einem völlig fremden Land, in dem es vermeintlich sicher ist vor dem Krieg in seiner Heimat, mit fremden Menschen und einer ganz andersartigen Kultur und Sprache konfrontiert wird.
Die Erwachsenenperspektive von Ina/Yinna erlauben einen Blick auf Fremdsein und Rassismus in aktueller Perspektive.
Ein gelungenes Jugendbuch, das vielfältige Gesprächs- und Erzählanlässe anbietet, in Unterrichtskontexten, bei denen Jugendliche ihre eigenen Erfahrungen mit Flucht, Krieg und Rassismus heute einbringen können. Daneben kann man es im Geschichtsunterricht zum Thema Faschismus und 2. Weltkrieg gut einbeziehen und z.B. in einer Lesekiste anbieten.

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Diese Rezension wurde verfasst von ASR.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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