In deinem Licht und Schatten

Autor*in
Reid, Louisa
ISBN
978-3-8414-2152-4
Übersetzer*in
Ernst, Alexandra
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
315
Verlag
FJB
Gattung
Ort
Frankfurt M.
Jahr
2015
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die beiden Zwillingsschwestern erzählen alternierend von ihrem Leid in der Familie der fundamentalistischen Pastorenfamilie. Der trinkende und gewalttätige Vater kujoniert Frau, Schwiegermutter und Töchter. Nur eines der Mädchen überlebt, mit 17 Jahren kann sie sich aus der Doppelfalle Familie und Gewaltherrschaft emanzipieren. Sie kann Freunde engagieren, die ihr beistehen. Schäden wird sie ihr Leben lang behalten.

Beurteilungstext

Die beiden Mädchen werden bis zu ihrem 16. Lebensjahr wie Gefangene gehalten, erst dann dürfen sie in eine öffentliche Schule gehen. Der Vater, Pastor einer evangelikalen Sekte, hält sie unter Verschluss, kann sich aber den Argumenten seiner Gemeinde nicht verweigern. Es kommt, wie es kommen muss: Die Zwillingsschwestern bekommen etwas vom Leben außerhalb des Pfarrhauses mit und streben nach mehr. Hephzi, die Schöne, findet bald einen Freund, wird von ihm schwanger und muss deswegen nach einem weiteren Gewaltexzess des Vaters sterben. Rebecca, die Hässliche (sie leidet unter dem Treacher-Collins-Syndrom - der Leser erfährt erst nach und nach, was das eigentlich ist; ganz wie Rebecca selbst), wird für alle Unbilden verantwortlich gemacht und so geschlagen, dass sie des öfteren für Tage nicht in die Schule kann. Das ist ohnehin Ziel des Vaters. Für ihn ist Schule draußen, und draußen herrscht der Teufel. Die Töchter werden über nichts aufgeklärt, auch nicht über die Missbildung Rebeccas, im Haus gibt es außer der Bibel keine Bücher. Im Gegenteil, wenn Rebecca welche aus der Schule mitbringt, werden die zerstört und Rebecca bestraft. Nur die Großmutter der Mädchen versuchte zu intervenieren, was sie mit dem Leben bezahlen musste. Der Vater scheint nicht angreifbar, weil er sich in der Öffentlichkeit aalglatt als der große, verständnisvolle und tolerante Vater darzustellen weiß. Seine Rolle des Pastors macht ihn in der Öffentlichkeit ohnehin unangreifbar.
Der Kunstgriff der Autorin, beide Töchter erzählen zu lassen, auch Hephzi nach ihrem Tode, ermöglicht es dem Leser schnell, die Zwangssituation zu erkennen, schneller als es die Töchter begreifen. Denn beide Eltern verstehen es bestens, alles der Schlechtigkeit, der Verdorbenheit der Töchter zuzuschreiben. Erst sehr langsam erkennen die beiden diesen Mechanismus. Für Hephzi ist es dann zu spät.
Völlig unerwartet für Rebecca trifft sie auf Menschen, denen ihr Erscheinungsbild völlig gleichgültig ist und die ihr sofort, sowie sie etwas von ihrer Situation mitbekommen, Hilfe anbieten. Sie braucht lange, um das zu verstehen. Dann aber greift sie zu - vermutlich im letzten Augenblick. Nicht aber schafft sie es, ihre Zustimmung den Freunden zu geben, die ihre Eltern gerichtlich belangen wollen. Erst als auch noch die Mutter stirbt, sagt sie aus. Alle vorherigen Versuche hat sie abgewehrt. Zu sehr ist sie in die familiären Mechanismen von Täter und Opfer eingebunden.
Der Leser wird gefordert. Sein Gerechtigkeitsempfinden lässt es schier nicht zu, zu tolerieren, dass Rebecca - ebenso wie schon viel früher ihre Schwester - nichts gegen ihre Peiniger unternimmt, nicht zulässt, dass andere etwas gegen diese Eltern in Gang setzen. Die Opfer glauben einfach nicht, dass das gesellschaftlich verankerte Positivbild eines Pastors von irgendeiner Instanz in Frage gestellt würde.
Bleibt natürlich die Frage, ob dergleichen in Deutschland auch möglich sein könnte. Ich bezweifle das in dieser Form, schon alleine, weil Eltern in keinem Falle zugebilligt wird, ihre Kinder alleine und Zuhause zu unterrichten. Aber es gibt viele Stufen der Gewalt und der gewalttätigen Inhaftnahme von Kindern. Da sollte man schon die Augen offen halten. Fundamentalismus ist nicht an das Christentum gebunden oder an den Islam. Er ist in jeder Religion, in jeder Ideologie zu finden.
Auf jeden Fall aber ist dies ein spannendes Buch, das zu Diskussionen und Reflexionen anregt. Cjh15.01

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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