Im Schatten des Märchenerzählers

Autor*in
Michaelis, Antonia
ISBN
978-3-7512-0165-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
464
Verlag
Oetinger
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/RomanKrimi
Ort
Hamburg
Jahr
2022
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
22,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Viel weiß Elias nicht über seinen Vater Abel, den Märchenerzähler. Jedem in seinem Umfeld ist indes bekannt, dass Abel einen Mord begangen und sich, noch nicht einmal 18 Jahre alt, bei der Verfolgung durch die Polizei einen Kugel in den Kopf gejagt hat. Doch er scheint weiterhin mit Elias‘ Mutter Anna brieflich zu kommunizieren. Ob Abel noch lebt? Elias will den Ereignissen auf den Grund gehen. Und begibt damit nicht nur sich selbst in höchste Lebensgefahr.

Beurteilungstext

„Im Schatten des Märchenerzählers“ bezieht sich als Folgeroman auf Antonia Michaelis‘ Buch „Der Märchenerzähler“, ist aber auch ohne Kenntnis des 1. Bandes verständlich, da auf dessen relevante Ereignisse jeweils zurückgegriffen wird. Zwischen beiden Geschichten liegt eine Zeitspanne von etwa 18 Jahren. Elias, der Sohn des Märchenerzählers, steht kurz vor seinem Schulabschluss. Er ist ein Außenseiter, der häufig in seinem Umfeld mit seinem Vater verglichen wird. Letzterer hatte sich nach einer begangenen Mordtat lange vor Elias‘ Geburt erschossen. Dass er jetzt offensichtlich Briefe an seine Frau Anna schreibt, lässt Elias an seinem Tod zweifeln. Als erneut Personen ermordet werden, die in irgendeiner Weise mit den damaligen Verhältnissen in Zusammenhang stehen, stellt er sich die Frage, ob sein vermeintlich toter Vater diese neuerlichen Taten ebenfalls begangen hat – oder ob es Elias selbst war. Ist er, ob er will oder nicht, quasi dazu verdammt, sich tatsächlich auch so wie Abel zu verhalten? Als Elias im Zusammenhang mit seinen Recherchen die aus prekären Familienverhältnissen stammende Zara trifft, erweckt diese zwar seine tiefe Zuneigung; doch wegen seiner, wie er glaubt, genetischen Prädisposition, die ihn ebenfalls zu einem Mord befähigen könnte, will er keinerlei Nähe zulassen. Das gelingt ihm erst, als er nach langen, lebensgefährlichen Nachforschungen doch endlich erfährt, was damals tatsächlich passierte – und was auch 18 Jahre später noch fatale Auswirkungen hat.
Sexueller Kindesmissbrauch mag auf den ersten Blick als Thematik für ein Jugendbuch wenig geeignet erscheinen. Leider muss indes festgestellt werden, dass es bei diesen durchweg verabscheuungswürdigen Taten gerade in den letzten Jahren eine Zunahme ungeahnt großen Ausmaßes gegeben hat, die keinesfalls ignoriert werden darf. Michaelis, deren Roman „Der Märchenerzähler“ für den Deutschen Literaturpreis nominiert wurde, beweist sich auch im Folgeband als feinfühlige Erzählerin, die sich dem komplexen und recht heiklen Sujet in bemerkenswerter Weise annähert. Sie beschränkt sich dabei nahezu ausschließlich auf die Opferperspektive sowie die zumeist lebenslang anhaltenden Auswirkungen auf Familie und Umfeld. Dass sie dennoch am Schluss des Buches vor möglicherweise triggernden Textinhalten wie Suizid, sexueller Gewalt, Kindesmissbrauch und Mord hinweisend warnt, zeigt einerseits deren Brisanz, aber auch die von der Autorin empfundene Verantwortung. Das wird auch deutlich in den zumeist eher zurückhaltend vorsichtigen Beschreibungen sexueller oder gewalttätiger Szenen, die niemals auf spektakulären Effekt abzielen, aber dennoch nicht an Deutlichkeit zu wünschen übrig lassen. Zudem wird manches, was bei direkter Schilderung nur schwerlich zu ertragen wäre, in der verwendeten Form eines sequenziell erzählten, durch Kursivdruck hervorgehobenen Märchens mit teils mystischen Inhalten eher sagbar.
Ungeachtet solcher Elemente kann der Roman nicht als Fantasy bezeichnet werden, zumal manches, was im Verlauf der Geschichte zunächst als irrational erscheinen mag, später eine plausible rationale Erklärung erfährt.
Eine bedeutende Rolle spielt das sich erst ganz allmählich anbahnende Liebesverhältnis zwischen Elias und Zara. Die einfühlsame Beschreibung bedient dabei nicht die Klischees simpler Liebesromane; in ihr wird vielmehr jegliches Abgleiten in übermäßiges Romantisieren vermieden.
Wer Band 1 nicht gelesen hat, dürfte aufgrund vieler, allerdings unumgänglicher Rückgriffe darauf in der ersten Buchhälfte bisweilen Schwierigkeiten haben, dem verzweigten Aufbau des Plots zu folgen. Als umso spannender, mit geradezu exponentiell auf Thriller-Niveau ansteigendem Spannungslevel erweist jedoch sich die zweite Hälfte des Buches. Da mögen manche Lösungen aus Sicht des aufmerksamen Lesers längst auf der Hand liegen – doch dann kommt alles gänzlich überraschend anders als gedacht.
„Im Schatten des Märchenerzählers“ ist ein ebenso fesselnder wie zugleich unglaublich berührender Lesestoff, der allerdings wegen seiner mitunter stark belastenden Thematik erst für Jugendliche ab 16 Jahren empfohlen werden kann.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Gerd Klingeberg; Landesstelle: Rheinland-Pfalz.
Veröffentlicht am 29.08.2022

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