Ich will so gerne anders sein

Autor*in
Biegel, Paul
ISBN
978-3-8251-7807-9
Übersetzer*in
Kranz, Herbert
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Faas, Linde
Seitenanzahl
189
Verlag
Urachhaus
Gattung
Ort
Stuttgart
Jahr
2014
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,90 €
Bewertung
empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Robert ist rundlich, trägt eine Brille und das Lernen fällt ihm schwer. Er möchte anders werden, und weil er das so oft betont, nennen ihn alle nur ""Anders"". Eines Nachts wird sein Wunsch erfüllt, doch weil er den Zauberspruch (das ‚Einmaleins mit der Sieben') falsch aufsagt, erscheint nicht der Große Zauberer, sondern das Mädchen Federchen. Und Anders wird nicht groß und stark, sondern winzig und schwach. Es beginnt ein aufregendes Abenteuer, in dessen Verlauf Anders wahre Größe erlangen wird.

Beurteilungstext

Paul Biegel (1925-2006) gehört zu den großen holländischen Kinderbuchautoren des 20. Jahrhunderts. In Holland hat er einen ähnlichen Rang wie hierzulande etwa Michael Ende. In Deutschland ist sein Werk freilich weniger bekannt. Noch! Denn nun hat es sich der Verlag Urachhaus zur Aufgabe gemacht, Biegels Texte (wieder-) zu entdecken. ""Ich will so gerne anders sein"" erscheint in der Reihe ""Die schönsten Kinderbücher des großen Erzählers"".
Erstmals 1967 im holländischen Original erschienen, wurde der Kinderroman 2009 in den Niederlanden neu aufgelegt und 2014 von Herbert Kranz ins Deutsche übersetzt. Es ist ein durchaus erfreuliches Detail, dass weder die holländischen Verleger noch die deutschen Übersetzer dem fragwürdigen Trend zur Modernisierung älterer Texte erlegen sind, weder stilistisch noch in der Anpassung von Anspielungen auf die Zeitgeschichte.
So verwundert es nicht, dass der Text gleich auf der ersten Seite eine authentische Atmosphäre fast schon vergangener Zeit evoziert, sei es durch das ‚In-der-Eckestehen' als einer typischen Schulstrafe oder durch die Tätigkeit des Vaters von Robert als Barbier. Auch die Sprachhaltung entspricht den kinderliterarischen Erzähltraditionen der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Mit seinem poetischen Sprachgebrauch, seinem epischen Erzählton, der Darbietung des Geschehens durch einen auktorialen Erzähler und dem Entwurf einer phantastischen Gegenwelt, in der sich der kindliche Held bewähren muss und vom Dummling zum Helden reift, ist das Kindermärchen ein typisches Beispiel für die Kinderliteratur der ‚Vollendeten Kindheitsautonomie'. Zugleich erinnert Anders' Ausflug in die Wiesenwelt der Ameisen, Schnecken und Käfer, die ihm mal mit Unverständnis (für sie ist der winzige Junge anders), mal mit Unverschämtheit begegnen und die alle ihre ganz eigene Vorstellung von (Schul-)bildung haben (es seien hier nur die drei Schneckenschwestern erwähnt, die die Vermittlung von ""Grundsätzen"" der Vermittlung von Wissen vorziehen), auch ein wenig an Alices Abenteuer mit den Bewohnern des Wunderlands.
Angetrieben wird die Handlung durch Anders' Bemühen, die vollständige mathematische Reihe des ‚Einmaleins mit der Sieben' zu lernen, um so dem großen Zauberer seine Bitte vortragen zu können. So folgt die Geschichte in ihrer Gesamtheit dem großen Spannungsbogen der Suche nach dem Großen Zauberer und dem sehnlichen Wunsch anders zu sein, wird dabei jedoch von den weiteren kleineren Spannungsbögen der Suche nach der nächsten Zahl strukturiert. - Dies bietet dem kindlichen Leser oder dem erwachsenen Vorleser immer wieder gute Möglichkeiten zum Pausieren, was auch geboten scheint, denn die durchaus komplexe Geschichte verlangt dem Leser, im positiven Sinne, einiges an Aufmerksamkeit und auch an literarischer Kompetenz ab.
In die Geschichte von Anders' Wunsch, anders zu sein, ist die Geschichte von Federchens Verwünschung eingewoben. Zunächst scheint es so, als sei Federchen eine typische Helferfigur, ein ‚fremdes Kind' romantischer Prägung. Doch schon bald deutet sich an, dass Federchen ihre eigene Geschichte hat und auch sie der Hilfe bedarf. So werden parallel die Geschichten zweier Helden erzählt wird, die einander brauchen. Sie werden im Verlauf der Handlung mehrfach getrennt, so dass nacheinander erzählt werden muss, was ihnen zeitgleich widerfährt.
Der holländische Klassiker ist ein warmherziges, erzählerisch komplexes Kindermärchen, in dem einfühlsam die Relativität des Andersseins, aber auch der Sinn und Zweck des Lernens, die zyklischen Veränderungen in der Natur und die Vergänglichkeit allen Seins thematisiert werden. Paul Biegels Werk ist es uneingeschränkt wert, vom deutschen Leser entdeckt zu werden.
Die stimmungsvollen Illustrationen von Silke Faas, die auch mal eine Seite oder sogar eine Doppelseite füllen, sind eine wundervolle Ergänzung des Textes. Faas bietet in ihren Bildern ein zwar kindlich verfremdetes, aber dennoch naturgetreues Abbild des Wald- und Wiesenlebens, sieht man von kleinen phantastischen Details wie den hämisch grinsenden Raupen oder der in Hermelinpelz gehüllten Ameisenkönigin ab. Einzig die Figur des Federchens gibt den Illustrationen etwas wiederkehrend Märchenhaftes. Die erzählte phantastische Geschichte erhält so eine ‚realistische' Umrahmung und eine bildhafte Beglaubigung.
Mit seiner bibliophilen Gestaltung ist das Buch auch ein schönes Geschenk.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von WiBe.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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