Ich, Hannibal, der Floh

Autor*in
Grzimek, Martin
ISBN
978-3-423-64043-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Müller, Hildegard
Seitenanzahl
103
Verlag
dtv
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2018
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
12,95 €
Bewertung
empfehlenswert

Teaser

Hannibal, der allerstärkste Zirkusfloh, entflieht der ihm unwürdig erscheinenden Knechtschaft im Flohzirkus – und springt zu einem neuen Flohdasein in einer gefährlich überdimensionierten Menschenwelt, die aber für den mutigen und schlauen Superfloh keineswegs zu groß ist.

Beurteilungstext

„Wahre Größe liegt oft im Verborgenen“ – mit diesem Zitat endet Grzimeks Erzählung. Und tatsächlich, im Zirkus von Direktor Blikk lässt sich die Größe des „allerbesten, allerstärksten“ Hannibals, der das Zwanzigtausendfache seines eigenen Gewichts ziehen kann, nicht so leicht „erblikken“ – denn Hannibal ist ein Floh. Und er ist ein reichlich unzufriedener Floh. Tagein, tagaus zieht Hannibal im Flohzirkus unter schlechten Arbeitsbedingungen eine Kutsche über seine kleine Bühne und wird schließlich sogar von einem Verkauf bedroht. Folglich hat Hannibal die „absolut naheliegende Idee, die buchstäblich nur von einem Floh kommen kann“: Hannibal, der Floh, flieht. Der Entflohene kommt schließlich bei Familie Blaschke unter, insbesondere in den Haaren der neunjährigen Anne, deren Blut besonders anziehend ist.
Die abenteuerliche Geschichte ist aus der Ich-Perspektive des Superflohs erzählt, dessen frischer Blick auf die überdimensionierte Menschenwelt erheitert: Für den tierischen Helden werden aus Falten im Bettbezug geradezu Schluchten, die Schule erscheint Hannibal mit einem frontal stehenden Direktor und sitzenden Kindern wie ein Flohzirkus. Indes erschöpft sich diese Flohperspektive aber nicht in einem ungewohnten Blick auf die ungewohnte Menschenwelt, sondern besticht durch Hannibals Reflexion seines durchaus vielschichtigen Flohdaseins.
Hannibal ist zunächst ein Blutsauger mit großem Appetit, der in bisweilen leicht ekelerregenden Schilderungen seinen Opfern den „Rüssel gnadenlos zwischen zwei Schuppenflocken unter die weiße Haut“ sticht. Der ihm entgegenschlagende Ekel und die permanente Gefahr, die von unfreiwilligem Zerquetschtwerden bis zum mutwilligem Totschlag reicht, ermüden Hannibal. Er kommt damit – vielleicht anders als besonders empfindliche Leserinnen und Leser – aber einigermaßen gut zurecht. Richtig wütend wird Hannibal dagegen, wenn er als talentierter und etwas geltungssüchtiger Artist und Künstler Geringschätzigkeit erfährt. So fasst es Hannibal als „zweifellos angemessen“ auf, wenn er als „Matador“ bezeichnet wird, empfindet es aber als „schäbig“, wenn er als „klein“ und als „Winzling“ betitelt wird. Schlussendlich sieht er in sich nicht nur einen überaus begabten Zirkusartisten, sondern stellt sich aufgrund seiner Nahrungsaufnahme sogar als einen „Halbmenschen“ dar. Kein Wunder, dass Hannibal sich schließlich nach der glanzvollen Künstlerbühne und seinem obendrein sicheren Starleben im Flohzirkus sehnt. Dank einer findigen und – natürlich – meisterhaft inszenierten Privataufführung schafft er seinen Sprung zurück in die ruhmreiche und nun etwas wertschätzender gestaltete Schatulle des sich einsichtig zeigenden Zirkusdirektors.
Hannibal ist aber nicht nur ein blutsaugender Superfloh mit Starallüren, sondern auch ein sich rechtfertigender Erzähler. Gewissenhaft legt er dar, warum er als Floh mit bestimmten Kenntnissen über die Vorgänge in der Menschenwelt aufwarten kann, und woher er weiß, wie sein eigener Flohkörper beschaffen ist, obwohl er sich nicht vollständig sehen kann. Damit wird die Flohperspektive auch auf einer metanarrativen Ebene spielerisch verhandelt, die auch für Kinder verständlich aufbereitet ist:
„Wie sollte mein Kopf das verstehen? Doch wenn ich gar keinen richtigen Kopf hätte, sondern nur einen Körper mit starken Beinen – wo kamen dann meine Fragen her? Meine Ungewissheit, soweit sie meinen Kopf betraf, überwältigte mich regelrecht. Keinen Kopf haben und trotzdem denken? Absolut irre.“ (S. 76)
Die Illustrationen von Hildegard Müller nehmen Hannibals Perspektive nicht ein, und das macht sie für Grzimeks Erzählung ungemein gewinnbringend. So können die geschickt gestalteten Illustrationen beträchtlich dazu beitragen, dass die jungen Leserinnen und Leser Hannibals vielbeiniges und einrüsseliges Aussehen, seine wagemutigen Tricks und Sprünge sowie insbesondere die Vorstellung von und in einem Flohzirkus gut nachvollziehen können.
„Ich, Hannibal, der Floh“ ist eine empfehlenswerte Geschichte aus der Ich-Perspektive eines versierten Flohs, die erheiternd und für die Zielgruppe sprachlich angemessen erzählt ist. Die abenteuerliche Geschichte des klein-großen Helden bereitet ein flo(h)ttes Lesevergnügen, das seinen eigenen Wert hat – man sie aber durchaus auch als Anlass nehmen, um über menschliche Themen wie Fremdheit, wahre Größe und Bestimmung sowie Wertschätzung nachzudenken.
Anna Hölzen

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Diese Rezension wurde verfasst von gre; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 03.10.2020

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