Ich, die Andere
- Autor*in
- Frey, Jana
- ISBN
- 978-3-7855-5865-2
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 358
- Verlag
- Loewe
- Gattung
- –
- Ort
- Bindlach
- Jahr
- 2007
- Lesealter
- 14-15 Jahre16-17 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 12,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Die 16-jährige aufgeschlossene Kelebek ist gläubige Muslima und hat einen deutschen Pass. Je älter sie wird, umso mehr wird sie von ihrer türkischstämmigen Familie unter dem Vorwand religiöser Regeln in gesellschaftliche Traditionen gefesselt . Als sie sich in Janosch verliebt, bahnt sich eine Katastrophe an.
Beurteilungstext
Die sensible Gymnasiastin Kelebek ist in Deutschland “integriert”. Seit ihrer Kindheit reist sie in den Ferien in die Türkei und fühlt sich dort im Schoß der Großfamilie geborgen. Ihr gelingt der Spagat zwischen den Welten, und sie ist mit ihrer deutschen Freundin Ana genauso vertraut wie mit ihrem Bruder Serkan. All das ändert sich, als sie in die Pubertät kommt. Plötzlich soll sie nicht mehr alleine weggehen, ihre Cousinen werden in der Verwandschaft verheiratet, Gerüchte über demütigende Hochzeitszeremonien erreichen sie, und während sie es kaum wagt, heterosexuelle Empfindungen zuzulassen, hat sie homosexuelle Kontakte zu ihrer Cousine. Kelebek ist zutiefst verunsichert. Sie schlüpft in ihrem Innern in verschiedene Rollen, ist die lebenslustige Aviva, die verträumte Siri, die gehemmte Daphne. Die einzige Kontinuität in Kelebeks Leben ist Allah. Er spricht mit ihr, seit sie als 5-Jährige zum ersten Mal in einer Moschee war, und er ist ein freundlicher, weltoffener Gott, der ihr stets beisteht. Als Kelebek sich in den christlichen Joschua verliebt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Sie gerät in die Mühlen ihres Familienclans, der ihre Persönlichkeit mit Psychterror und Gewalt zu brechen droht.
Jana Frey geht mit mit einer Bevölkerungsgruppe ins Gericht, die unter dem Vorwand der Frömmigkeit ein brutales Unterdrückungssystem betreibt. Während Serkan mit seinen türkischen Freunden auf der Straße mit sexistischen Sprüchen Frauen anpöpelt und alle Freiheiten der westlichen Welt für sich in Anspruch nimmt, wird die Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit der angepassten Kelebek ständig weiter beschnitten. Die Großfamilie, in der sie früher Geborgenheit fand, wird zum Terrorregime.
Literarisch anspruchsvoll begleitet die Autorin die Entwicklung der Ich-Erzählerin Kelebek unter dem zunehmenden Druck der Umwelt. Während sie Kelebeks Mitmenschen sehr klar charakterisiert und den uninformierten deutschen Lesern einen guten Einblick in “türkische” Denkweisen gibt, ist Kelebek ein Charakter, dem man sich mit Geduld und Einfühlungsvermögen nähern muss. Ihre letzten Endes so starke Persönlichkeit und der Hoffnungsfunke, der am Schluss der Geschichte aufklimmt, sind ein Aufruf dazu, Stellung zu beziehen und Menschenrechte zu verteidigen.