Holmes 02 (1854+1891): Der Schatten des Zweifels

Autor*in
Brunschwig, Cecil
ISBN
978-3-942787-02-4
Übersetzer*in
Jacoby, Edmund
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
64
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
ComicKrimi
Ort
Berlin
Jahr
2014
Lesealter
10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
18,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Dr. Watson begibt sich mit seiner Frau nach Frankreich, um Sherlock Holmes’ vermeintlichen Tod zu ergründen.

Beurteilungstext

Cecil und Brunschwig haben nach vierjähriger Arbeit den zweiten Band von “Holmes (1854 / + 1891?)” herausgebracht. In “Der Schatten des Zweifels” wird die Fortsetzung der Geschichte zweigleisig erzählt und durch einen Traum des Dr. Watson eingeführt, in dem die Situation der künftigen Recherche zusammengefasst wird: Dr. Watson, der sich nicht damit abfinden kann, dass sein Freund gestorben sein soll, verfolgt nun jede erdenkliche Spur, um Holmes’ Verschwinden aufzuklären. Seine Reise führt ihn und seine Frau nach Frankreich, wo er in Sherlock Holmes’ Vergangenheit eintaucht. Watson weiß nicht, dass ihnen schon seit Beginn der Reise ein Unbekannter auf den Fersen ist. Als sie sich auf den Weg machen, Holmes’ früheres Kindermädchen auf dem Land zu treffen, wird dieses, bevor sie etwas erfahren können, aus der Ferne angeschossen.
Zeitgleich ermittelt der als Straßenkind von Holmes rekrutierte junge Detektiv Wiggings in London. Um die Spur einer Krankenschwester, die Holmes Vater gepflegt haben soll, zu finden, sucht er den Armenarzt Dr. Parks auf. Parks hat das Recht vor Gericht erstritten, zwei Kinderleichen exhumieren lassen zu dürfen, um die Unschuld eines wegen Giftmordes verurteilten Kindermädchens zu beweisen. Just in dem Moment ihres ersten Zusammentreffens kommt es zu einem Gewaltausbruch, der einer Straßenschlacht gleicht. In einer späteren Szene erfährt der Leser, dass der Tumult in diesem Ausmaß beabsichtigt war und ein Mann, der seltsamerweise Mr. Holmes genannt wird, scheint mit dem Ergebnis zufrieden zu sein.
Selbst wenn man den ersten Band kennt, ist der nun vorliegende zweite Band sehr schwer verständlich. Ohne diese Kenntnis aber bleibt einem ungeübten Comicleser der Zugang zur Geschichte so gut wie verschlossen. Die inhaltliche Umsetzung ist etwas für Kenner der Graphic Novel, für erfahrene Bildleser: Ohne stilistische Differenzierung springt die Geschichte zwischen den beiden Erzählsträngen und Rückblenden hin und her, wichtige Hinweise werden über stumme bildnerische Details erzählt, die sich nicht sofort erschließen. Natürlich gehört es zu Detektivgeschichten, den Leser lange im Unklaren zu lassen, ihn auf falsche Fährten zu locken und seine Neugier und Spannung anzufachen. Doch der Grad an Verrätselung, den Cecil und Brunschwig hier betreiben, ist nur für eine treue Fangemeinde zu ertragen, die bereit ist, sich womöglich wieder vier Jahre lang zu fragen, ob Dr.Watson von dem angeschossenen Kindermädchen doch noch etwas erfahren wird, wer ein Interesse an einer blutigen Straßenschlacht hatte und vor allem: Wer ist dieser Mr. Holmes, der sich in einer Kutsche sitzend versichert, ob es, wie versprochen, auch einige Tote zu verzeichnen gibt?
Cecil schafft es, ein akribisch korrektes historisches Porträt in allen Details zu zeichnen: Fahrzeuge, Mode, Haartracht, das Stadtbild, nichts bleibt unberücksichtigt. Er zeichnet realistisch, bemüht sich um die physiognomische Individualität aller dargestellten Personen, sogar in den Massenszenen. Manchmal wiederholen sich die Typen, was zu einer Verflachung führt. Dennoch lassen sich die Hauptcharaktere immer wieder erkennen. Er hat seine ausführlichen Zeichnungen Grau und Schwarz koloriert, wobei er die Farbigkeit in Nuancen um ein mitschwingendes schweres Blaugrün erweitert. Für einige Rückblenden wählt er Sepia, die den Band wie unerwartete Wärmeschauer kreuzen. Teilweise gelingt es ihm besonders gut, durch die Lichtführung Atmosphären zu erzeugen. Trotz der dynamischen Zeichnungen wirkt “Der Schatten des Zweifels” etwas schwerfällig und antiquiert. Möglicherweise liegt das an der braven Art, wie Cecil die Panels anordnet, oder auch daran, dass die einzelnen Bilder alle bis ins Letzte auf vorhersehbare Weise “ausgemalt” sind. Im ausführlichen Making Off sieht man Vorskizzen, die zum Teil lebendiger und luftiger sind als im Band selbst. Für den dritten Band kann man Cecil wünschen, den historischen Stoff etwas experimentierfreudiger anzugehen.
Was die Textebene angeht, gelingt die Kontinuität der zeitlich-sprachlichen Bezüge nicht immer, so dass manche Wendungen holprig oder auch fremd klingen, insbesondere im Rückblick, in dem der Detektiv Wiggings seine erste Begegnung mit Sherlock Holmes erzählt.
Das Making Off im Anhang ist unbedingt positiv hervorzuheben, denn es ermöglicht einen Einblick in den aufwendigen Entstehungsprozess des Bandes und zeigt, welche Arbeitsschritte für den Autor und Zeichner notwendig waren. Ähnlich wie beim Bonusmaterial von Filmproduktionen, zeigen auch Cecil und Brunschwig Szenen, die sie “herausgeschnitten” haben. Die Vorrede zum Making Off ist zwar eine respektvolle direkte Hinwendung an den Leser, könnte aber auch als Rechtfertigung oder Erklärungsnot missverstanden werden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Bob.
Veröffentlicht am 01.01.2010