Himmelwärts
- Autor*in
- Köhler, Karen
- ISBN
- 978-3-446-27922-3
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Davies, Bea
- Seitenanzahl
- 188
- Verlag
- Hanser
- Gattung
- Erzählung/Roman
- Ort
- München/Wien
- Jahr
- 2024
- Lesealter
- 10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- BüchereiFreizeitlektüre
- Preis
- 19,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Wenn Trauer und Hoffnung das Herz füllen, braucht es kreative Lösungen für den Blick nach vorn. Wie gut, wenn man eine Freundin wie YumYum hat, die ein Funkgerät bauen kann und die reich an Mitgefühl ist. So kann sich die zehnjährige Toni auf empathische Begleitung in ihrer Trauer um ihre Mutter verlassen und beide Mädchen erleben eine ganz besondere Nacht.
Beurteilungstext
Tonis Mutter ist an Krebs gestorben. Wegen der großen Vermissung (S. 30) wollen Toni und ihre Freundin YumYum versuchen, mit einem selbst gebauten kosmischen Radio Kontakt zu Tonis Mutter aufzunehmen. Für dieses Vorhaben besorgen sie sich heimlich allerlei Süßigkeiten, sie haben Tonis Vater als Rückendeckung, dass sie draußen zelten dürfen, was YumYums Mutter nie erlauben würde, und sie sprechen plötzlich über das funktionierende, ins All funkende Radio mit einer Astronautin, die die Erde auf der ISS umrundet. In den kurzen Gesprächen, die die Mädchen mit der Astronautin Suzanna führen, erzählt Toni vom Tod ihrer Mutter und erhält von Suzanna tröstende, nachdenkliche und hilfreiche Rückmeldung. Als am Ende der Nacht – die in Kapitel eingeteilt ist, welche wie in einem herunterzählenden Countdown angeordnet sind – auch der Vater mit seiner Tochter über den Tod sprechen kann, bricht ein guter neuer Tag an.
Der Roman von Karen Köhler berührt durch die einfühlsame Darstellung, wie Toni damit umzugehen versucht, dass sie ihre verstorbene Mutter so sehr vermisst. Dabei wird sehr klar und bisweilen sehr direkt in Notizbucheinträgen und im Gespräch mit YumYum offengelegt, wie Toni die Zusammenhänge rund um den Tod ihrer Mutter reflektiert und welche Gefühle sie hat. Da ihr Vater selbst in tiefer Trauer gefangen ist, kann er ihr nicht wirklich helfen. YumYum, die Begleitung, die die Autorin Toni an die Seite stellt, ist eine Person, die sich jeder nur wünschen kann: Sie trauert mit Toni mit, schenkt ihr den Freiraum, den sie braucht, ist nicht beleidigt, wenn Toni sie ungehalten anfährt und trägt mit ihrer unerschütterlichen Neugierde dazu bei, dass für Toni eine besondere Möglichkeit des Umgangs mit dem Verlust ihrer Mutter entstehen kann. Sehr ehrliche Aussagen Tonis, wie beispielsweise, dass sich niemand vorstellen könne, wie man sich fühlt, wenn die eigene Mutter gestorben ist, und das ebenso ehrliche Stumm-bleiben von YumYum (S. 29), machen das Buch so wertvoll.
Neben der bunten, bisweilen herausfordernden bildlichen Darstellung einzelner Szenen ist der Wechsel von vielschichtigem Erzähltext und Tonis Notizbucheinträgen farblich gestaltet. In diesen persönlichen Notizen wird nach und nach offengelegt, was von der Diagnose der Krankheit ihrer Mutter bis zu ihrem Tod geschehen ist. Etwas befremdlich wirkt an einigen Stellen die Verwendung von jugendsprachlichen Elementen, die jedoch nicht konsequent durchgeführt wird. Dem gegenüber stehen die durchaus kreativen Wortneuschöpfungen, die teilweise auch bildlich umgesetzt werden; sie ermöglichen auf originelle Weise einen neuen Sprachraum, in dem Toni ihre Trauer und auch ihre Wut ausdrückt. Auch der geführte philosophische Gedankenaustausch sowohl zwischen den Mädchen als auch in Gesprächen mit der Astronautin, der bestätigt, dass Trauerbewältigung mehr als das Aussprechen von Floskeln sein muss, schafft Raum für die Trauerarbeit.
Die verschiedenen Angebote, die der Roman macht, um einen Zugang zu einem schweren Thema zu schaffen, mit dem auch Kinder gut umzugehen vermögen, können ambivalent wahrgenommen werden. Für manche Leserin und für manchen Leser mag diese Vielfalt genau das Richtige sein, um angesprochen und berührt und selbst sprachfähig zu werden. Für andere sind das trauernde Kind und die seine Bedürfnisse fokussierende Darstellung zugänglicher – ohne Exkurse oder Ablenkungen durch Nebenthemen. Wenn Toni ganz eindringlich fragt, ob sie Schuld sein könnte an der Krankheit ihrer Mutter, und Suzanna ihr daraufhin die klare Antwort gibt, dass sie keine Schuld habe und niemand eine Schuld daran trage (S. 143), dann ist das ein sehr starker Moment. Und davon gibt es einige in diesem Roman zu entdecken.