Hey, ich bin der kleine Tod… aber du kannst auch Frida zu mir sagen
- Autor*in
- Gröger, Anne
- ISBN
- 978-3-423-76347-9
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Bertrand, Fréderic
- Seitenanzahl
- 208
- Verlag
- dtv
- Gattung
- Erzählung/RomanBuch (gebunden)
- Ort
- München
- Jahr
- 2021
- Lesealter
- 10-11 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Bücherei
- Preis
- 13,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Samuel ist todkrank und verbringt sein junges Leben in Krankenhausbetten. Umgeben von Ärzt*innen, Pfleger*innen, Krankheit und Desinfektionsmitteln meidet er sein Leben und seine Nächsten. Das ändert sich, als der kleine Tod zu ihm kommt und sich unbedingt mit ihm anfreunden möchte. Samuel, der dem Tod schon ganz nahe war, will das nicht. Das Problem ist: Er wird den Tod nicht los, wenn er sich auf das Spiel nicht einlässt.
Beurteilungstext
Samuel ist, gelinde gesagt, zwanghaft und er hat dafür einen Grund. Mit einer Autoimmun-Krankheit in Krankenhäusern aufwachsend kennt er sich mit seinen 11 Jahren schon solide aus mit seinen eigenen Blutwerten und ihrer Bedeutung. Er kennt alle Gefahren, die von Bakterien, Viren und allgemein von anderen Menschen ausgehen. Er weiß, wie und wie schnell in allen möglichen Unfallszenarien zu handeln ist und kennt die Statistik jeder erdenklichen Unfallart genauso gut wie den naheliegendsten oder abwegigsten Unfall zu jeder erdenklichen alltäglichen Handlung. Selbst seine Eltern dürfen ihn nur selten umarmen, meistens trägt er dazu seinen Schutzanzug. Freunde hat er keine mehr, seitdem sein langjähriger Krankenhaus-Freund Tobi seine fünfte Überlebensmedaille nicht mehr geschafft hat und raus geht er schon gar nicht. Samuel hat schon 7 solcher Medaillen gewonnen – 5 für eine überstandene Lungenentzündung, 2 für das Überleben von inneren Blutungen – und zwei Karabiner, die ihn an Tobis und seinen Plan erinnern, gemeinsam den Berg vor dem Krankenhausfenster zu besteigen. Natürlich ist ihm das jetzt ohne Tobi viel zu gefährlich, man müsste dafür schließlich auch rausgehen. Jeder Versuch seiner Eltern, Samuel in Gesellschaft zu bringen, wird von ihm sabotiert. Wie schwerlich man doch ein Kind zu etwas zwingen kann! Zumindest als Eltern, denn es gibt da jemanden, der weiß ziemlich genau, wie er es angehen muss.
Der kleine Tod heißt Frida. Frida möchte einmal in die Fußstapfen des großen Todes treten. Um heraus zu finden, ob sie dafür geeignet ist, hat der große Tod sie zu Samuel geschickt. Samuel ist sozusagen ihre Prüfungsvorbereitung. Sie soll hier lernen, wie Menschen leben und sterben, darf (und kann) Samuel jedoch nichts antun. Im Gegensatz zu Samuel, der in seinen jungen Jahren bereits mehr zu durchblicken scheint, als ihm gut tut, kennt Frida die Welt und diesen Menschenkörper, der ihr übergangsweise geliehen wird, nicht. Sie weiß nicht was Kakao, schlafen oder pinkeln ist. Um Dinge kennen zu lernen, leckt sie sie gerne an (Teddys) oder zerbricht sie (alles andere). Sie weiß nicht, was Freundschaft oder Vertrauen ist. Beides meint sie zu brauchen, wenn sie ihr eigentliches Ziel erreichen möchte: Samuel zu holen.
Frida schafft es, dass Samuel raus auf den Spielplatz geht. Sie schafft es, dass er zu den Pfadfindern geht und sie zwingt ihn dazu, mit ihnen auf ein Zeltlager zu fahren. Indem sie ihn zwingt zu leben, zwingt sie ihn, den Tod anzunehmen und leben zu wollen. Ohne es zu merken, findet er Freunde. Und als er doch wieder krank wird, ist es plötzlich anders: er möchte sich nicht einfach so geschlagen geben.
Der Kinderroman thematisiert auf äußerst witzige Art und Weise dieses sehr ernste Thema. Der doppelte Boden ist dabei beachtlich, sieht man doch Frida immer als kleines unbedarftes Mädchen, das das Leben auskosten möchte und keinen Unfug auslässt, und zugleich als ihr eigenes mahnendes Gegenteil. Ob das für Kinder geeignet ist, die bereits selbst mit dem Tod oder schlimmer Krankheit konfrontiert wurden, mag bezweifelt werden. Für unbedarfte und solche, die das Thema enttabuisieren möchten, ist es ein äußerst kurzweiliger und kluger Text, der zurecht den Oldenburger Kinder- und Jugendpreis gewonnen hat, der so oft gute Literatur-Tipps liefert. Lustige, comicartige schwarz-weiße Zeichnungen zieren den Text und die handschriftlichen Tagebucheinträge von Frida, die den Roman kontrapunktisch durch eine weitere Perspektive erweitern.