Harte Schale, Weichtierkern

Autor*in
Travnicek, Cornelia
ISBN
978-3-407-75645-9
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Szyszka, Michael
Seitenanzahl
126
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2022
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
15,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

In Cornelia Travniceks Jugendroman „Harte Schale, Weichtierkern“ entsteht ein lehrreiches und berührendes Psychogramm einer jungen Frau mit Asperger, die versucht, sich mit ihrer Diagnose auseinanderzusetzen und in der Welt zurechtzufinden.

Beurteilungstext

Die fast 17-jährige Fabienne hadert mit der Welt. Ihr Freund Marco hat gerade mit ihr Schluss gemacht, echte andere Freundschaften hat sie nicht. Das glaubt Fabi zumindest. Ganz alltägliche, menschliche Interaktionen fallen ihr schwer: eine Sprachnachricht beantworten, Menschen während eines Gesprächs ins Gesicht sehen oder zur Begrüßung die Hand geben. Sie will wissen, was mit ihr los ist. Weil ihre Mutter ihr permanent unterstellt, sie stelle sich an bzw. übertreibe, geht sie heimlich zu einem Psychotherapeuten und lässt sich diagnostizieren. Die Kosten dafür begleicht sie mit ihrem gesparten Praktikumslohn.

In Cornelia Travniceks „Harte Schale, Weichtierkern“ schildert Fabi die Zeit bis zur Diagnose, reflektiert große und kleine Dinge des (Zusammen-)Lebens und setzt sich mit der Diagnose Asperger auseinander. Die Dokumentation der Gedankenwelt verdanken die Leser:innen dem (fiktiven) Psychotherapeuten, der Fabienne anregt, Tagebuch zu führen, und ihr dafür immer wieder kleine Schreibaufgaben stellt. So entsteht ein multimodaler Textmix: Tagebucheinträge, Listen, Briefe, Mindmaps vermischt mit Zeichnungen, Infografiken, Schaubildern, Kritzeleien. Die zeichnerischen Elemente (wunderbar erstellt von Michael Szyszka) sind in blau, rot und gelb gehalten; manchmal nehmen sie nur einen kleinen Platz ein, dann wieder eine Doppelseite.

Besonders oft begegnen der Leserschaft hier Oktopusse, die stetiger inhaltlicher Bezugspunkt sind und ein kleines Faible der Ich-Erzählerin darstellen. Ihnen fühlt sich Fabienne nah, erkennt sich zum Teil in diesen scheuen, aber neugierigen Tieren wieder, die so dringend Rückzugsmöglichkeiten brauchen. Der entscheidende Tipp des Psychotherapeuten für einen ruhigeren Umgang mit der für Fabienne so verwirrenden Welt bedient sich dann auch einer Analogie mit Oktopussen: Sie könne „sich den Menschen nähern, als wären sie Oktopusse. Als Forscherin.“

Der gedruckte Text wird zudem immer wieder von handschriftlichen, in rot oder blau gehaltenen Worten und Passagen unterbrochen. Besondere Wirkungsweise entfaltet dies bei der wortwörtlichen Wiedergabe von Aussagen der Mutter (rot). So entsteht en passant ein (wenig schmeichelhaftes) Bild der Mutter, die nicht hinnehmen will, dass sie ein Kind mit Asperger hat, und wenig einfühlsam mit der eigenen Tochter umspringt. Bezeichnend ist dann auch, dass die Mutter im Urlaub Calamari bestellt.

Die Entdeckung und Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und den Unwägbarkeiten des sozialen Miteinanders enden dennoch mit einer versöhnlichen, hoffnungsvollen Note: Zum einen entdeckt Fabienne, dass es auch gesellige Arten unter den Tintenfischen gibt und zum anderen gelingt es ihr, sich mit ihrem Selbst zu arrangieren und es zu akzeptieren.

In diesem Roman stimmt einfach alles: die authentische Konzeption der Hauptfigur, die stimmige Mischung aus Text und Bild sowie die Sprache. Überhaupt die Sprache! Cornelia Travnicek gelingt die sprachliche Gestaltung einer jugendlichen Figur, ohne dass dies aufgesetzt wirkt. „Harte Schale, Weichtierkern“ ist auch aufgrund der Gestaltung eine anspruchsvolle und komplexe Lektüre. Dennoch sei sie insbesondere Jugendlichen ans Herz gelegt, weil das Gefühl, nicht richtig zu sein, doch integraler Bestandteil des jugendlichen Lebensgefühls ist. Jugendliche Leser:innen werden sich allein aufgrund dessen Fabienne sehr nah fühlen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von kab; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 12.10.2022

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