Hannah Arendt auf der Bühne

Autor*in
Muller-Colard, Marion
ISBN
978-3-03734-530-6
Übersetzer*in
Laugstien, Thomas
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Pollet, Clemence
Seitenanzahl
64
Verlag
diaphanes
Gattung
Ort
Zürich
Jahr
2015
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Hannah Arendt ersinnt keine Gedankengebäude, sondern steigt direkt in die Arena. Auf die Bühne ihres kleinen Theaters zu treten, heißt denken. Denken heißt Handeln! Das illustrierte Philosophiebuch für junge Leser veranschaulicht mithilfe einer reich bebilderten Erzählung H. Arendts komplexen, handlungstheoretischen Machtbegriff.

Beurteilungstext

Hannah Arendts politische Theorie leicht und verständlich zu erklären, ist kein einfaches Unterfangen. Das liegt u.a. daran, dass sie schon eine relativ komplizierte Unterscheidung zwischen dem vornimmt, was man sich gemeinhin unter dem Begriff „Politik“ vorstellt, und dem, was sie als das „Politische“ bezeichnet. Unter Letzterem versteht sie das gemeinsame, gemeinwohlorientierte Handeln im öffentlichen Raum. Ohne das so verstandene politische Handeln ist, um es paradox zu formulieren, Politik ganz und gar unpolitisch und verkommt zur reinen Verwaltung, zur Bürokratie. Die Autorin Marion Muller-Colard und die Illustratorin Clémence Pollet wählen daher nicht den Weg des Erklärens, sondern den einer – reich bebilderten – Erzählung, aus der sich das Menschenbild herauskristallisiert, das der Arendtschen Philosophie des Politischen zugrunde liegt.

Statt nun einfach die Lebensgeschichte der deutsch-amerikanischen Philosophin zu erzählen, geht die Autorin viel raffinierter vor: Kurz vor ihrem Lebensende im Jahr 1975 erscheint Hannah Arendt ihr kindliches Alter Ego. Dieses wünscht sich von der weltbekannten Schriftstellerin eine Geschichte „vom Fuchs, der Angst vorm bösen Wolf hat.“ Hiervon ausgehend entspinnt sich eine Erzählung, die von Aristoteles und der griechisch-antiken Polis als Geburtsort der Demokratie ebenso handelt wie von seelen- und gewissenlosen „Scheibtischmännern“, den Vertretern eines bürokratischen und totalitären Regimes. Diesen Schreibtischtätern das Handwerk zu legen, betrachten die große und die kleine Hannah als ihre Aufgabe. Doch dazu müssen sie Verantwortung übernehmen, sie müssen handeln und auf die Bühne treten. Das ist genau das, worin die Philosophin Ahrendt das Wesen des Politischen sieht. Zwei Gegner sind dabei zu überwinden, ein innerer und ein äußerer: die eigene Feigheit und Bequemlichkeit (in der Geschichte durch den Fuchs symbolisiert) und die von der politischen Handlungsmacht zu unterscheidende, rohe Gewalt (symbolisiert durch den Wolf), in deren Auftrag die Schreibtischmänner agieren. Nur wenn dies gelingt, ist ein Leben in Freiheit weiterhin möglich.

„Hannah Arendt auf der Bühne“ verbaut die zahlreichen Elemente aus Arendts philosophischen und publizistischem Werk (etwa die Unterscheidung zwischen Macht und Gewalt, die Suche nach den Ursachen totalitärer Herrschaft, die Berichterstattung über den Eichmann-Prozess in Jerusalem etc.) gekonnt in eine stringente und spannende Geschichte, in der es um nicht weniger geht als um die Erhaltung einer friedlichen und humanen Welt. Es dürfte den jungen Lesern klar werden, dass es zwar Mut braucht und Anstrengung kostet, sich politisch einzubringen, dass aber das Unterlassen fatale Konsequenzen haben kann. Wer sich weitergehend mit der Philosophie und/oder der Biografie Hannah Arendts auseinandersetzen will, muss zu einem der Sachbücher greifen, die es zum Thema auch für Kinder und Jugendliche gibt. Das vorliegende Buch liefert erste Einsichten, aber leider keinerlei weiterführenden Informationen. Dies ist ein kleiner Wermutstropfen des Buches, aber, blickt man auf die anderen Werke der Reihe Platon&Co., wohl auch bewusst so angelegt.

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Veröffentlicht am 01.04.2015