Guantanamo Boy

Autor*in
Perera, Anna
ISBN
978-3-570-16050-3
Übersetzer*in
Ott, Bernadette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
383
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Herbst 2002. Der 15-jährige Brite Khalid reist mit seinen Eltern nach Pakistan, um an den Trauerfeierlichkeiten für seine verstorbene Großmutter teilzunehmen. Seine Sorgen um die Sicherheit der Familie scheinen sich zu bestätigen. Khalids Vater verschwindet spurlos, er selbst wird brutal entführt und findet sich in der Gewalt amerikanischer Soldaten wieder. Er wird isoliert, verhört und gefoltert und schließlich über eine Zwischenstation in Kabul nach Guantanamo verschleppt.

Beurteilungstext

Khalid lebt in Großbritannien den ganz normalen Alltag eines westlichen Jugendlichen, mit Schule, Internet und Kartoffelchips. Durch diese kulturelle Nähe zu den Lesern eignet er sich sehr gut als Identifikationsfigur. Khalid ist aber auch glaubwürdig in der Rolle des Terrorverdächtigen. Immerhin chattet er jeden Tag mit seinem Cousin Tariq aus Pakistan und spielt mit ihm und anderen dessen selbst geschriebenes Computerspiel “Bomber One”. Für die Leser ist aber trotzdem ganz klar, dass Khalid unschuldig ist, das heißt, er hat ausschließlich die Opferrolle inne. Das vereinfacht den Stoff für die jugendlichen Leser. Khalid ist eine fiktive Figur, mit der die Autorin den Weg eines Menschen durch die sinnlosen Mühlen vermeintlicher Terrorbekämpfung nachzeichnet. Ihre Geschichte wirkt dabei manchmal etwas konstruiert, sie spart extrem grausame und menschenverachtende Praktiken aus, bleibt aber insgesamt glaubwürdig.
Khalid erfährt schon vor seiner Abreise, dass in Pakistan Unschuldige gegen hohe Prämien bei den Amerikanern angeschwärzt werden. So begreift er nach seiner Entführung schnell, in wessen Händen er sich befindet und warum. Das Martyrium, das sich anschließt, überfordert ihn völlig. Obwohl er viele Zusammenhänge durchschaut und dadurch den Lesern erklären kann, ist er dem systematischen Zerbrechen seiner Psyche hilflos ausgeliefert. Er erleidet Knochenbrüche und fühlt sich beim Waterboarding dem Tode nah, er ist abgeschnitten von der Umwelt, und weil er nur Englisch spricht, kann er sich noch nicht einmal mit seinen Mitgefangenen unterhalten. Khalids Verhöre sind offenkundig unsinnig, würden bei einem echten Terroristen zu keinen neuen Erkenntnissen führen. Schließlich unterschreibt Khalid unter der Folter ein mehrseitiges, bereits vorgefertigtes “Geständnis”. Nach dem Schrecken der Verhöre in Afghanistan erscheint Guantanamo fast schon harmlos. Doch die reizlose Monotonie dort ist kaum zu ertragen. Khalid versinkt in einen Dämmerzustand zwischen Traum und Wirklichkeit. Letzten Endes gelingt es ihm, alle körperlichen und seelischen Qualen zu überleben. Nach fast zwei Jahren kommt er frei und kann nach Großbritannien zurück kehren. Er wird noch lange mit den psychischen Folgen seiner Gefangenschaft kämpfen müssen, und doch bleibt er der vorbildliche Bilderbuch-Immigrant: Khalid verliest in seiner Schule ein Plädoyer gegen Hass und Rachegefühle, das er seinem Lehrer aus Guantanamo geschickt hat.
Die Autorin beschreibt zielgruppengerecht, wie das System funktioniert, in das Khalid hinein gerät. Sie charakterisiert amerikanische und pakistanische Täter und Mittäter und stellt sie in einen gesellschaftlichen Kontext. Sie zeichnet aber auch ein tiefgründiges Portrait von Khalid in den verschiedenen Phasen seiner Gefangenschaft. Dabei macht sie immer wieder die Sinnlosigkeit des amerikanischen Vorgehens deutlich und welches Leid damit auch über unschuldige Menschen gebracht wird.
“Guantanamo Boy” geht weniger auf die Problematik des Terrorismus oder die politische Lage in den USA, Afghanistan oder Pakistan ein. Thematisch bleibt die Autorin ganz eng am Schicksal der Gefangenen. Dadurch werden die Inhalte und Zusammenhänge nicht zu komplex und bleiben für Jugendliche überschaubar. Dennoch ist “Guantanamo Boy” ein politisches Buch, das ganz klar Stellung bezieht für Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Spra.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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