Guantanamo Boy

Autor*in
Perera, Anna
ISBN
978-3-570-16050-3
Übersetzer*in
Ott, Bernadette
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
382
Verlag
Gattung
Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Khalid ist fünfzehn. Er ist Engländer. Er ist Schüler. Er ist ein ganz normaler Jugendlicher. Bis zu seiner Reise nach Pakistan. Der Anfang eines unglaublichen Albtraums. Und das Ende eines ganz normalen Lebens.

Beurteilungstext

"Meine ganze Familie ist so englisch, englischer geht es gar nicht mehr, ehrlich!" Kahlid ist fünfzehn Jahre alt. Er wohnt in Rochdale und besucht die Highschool. Er liebt Fußball und Computerspiele, verbringt seine Nachmittage mit gleichaltrigen Kumpels und hat gerade einen scheuen Blick auf Niamh geworfen. Sein Vater ist Pakistani, seine Mutter Türkin. Die Religion, der Islam, spielt eine eher unbedeutende Rolle im Alltag der Familie. Khalids einziger Kontakt in die Heimat seines Vaters ist der Mailverkehr mit seinem Cousin Tariq. Seine Mutter hatte ihn dazu ermuntert, nachdem dieser seine kleine Schwester verloren hatte. Nun chatten die beiden Jugendlichen fast täglich, reden über Computerspiele und Fußball. Tariq schreibt auch manchmal über seine Religion, doch das interessiert Kahlid im fernen England nicht. Spannender findet er viel mehr das von seinem Cousin entwickelte Computerspiel. "Bomber One" soll es heißen. Als Kahlids Großmutter stirbt, fährt die ganze Familie zu den Hinterbliebenen nach Pakistan. Khalid will nicht. Viel lieber möchte er seine Ferien mit seinen Freunden verbringen. Und mit Niamh.
Doch daraus wird nichts. Aus beidem wird nichts. Denn nachdem erst sein Vater spurlos in Karachi verschwindet, dringen eines Nachts maskierte Männer in die Wohnung der Tanten, stülpen Kahlid einen Sack über den Kopf, schlagen ihn zusammen und schleppen in weg.
Es ist die Zeit nach dem 11. September 2000. Die Amerikaner haben dem Terrorismus den Krieg erklärt und greifen mit aller Gewalt durch. Und so ergreifen sie auch Khalid. Sein Vater arbeite für al-Qaida, behaupten sie, und er, Khalid, sei Mitglied irgendeiner Terrorgruppe. Ein Irrtum, denkt Khalid. Alles wird sich aufklären. Denkt, hofft, betet schließlich der fünfzehnjährige. Als er im Flugzeug an einen anderen Ort gebracht wird, weit weg von seiner Mutter, seiner Familie, versinkt Khalid in tiefe Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Es folgen Misshandlungen, Folter, Demütigungen. Erwachsene, Jugendliche, Kinder. Es gibt keine Unterschiede mehr. Nicht in Tagen, nicht in Wochen, nicht in Jahren. Die Erinnerungen an seine Freunde bewahren ihn vor dem Durchdrehen. "Vielleicht sind wir alle Hologramme." pflegte sein Freund Holgy zu sagen. Vielleicht. Zumindest hilft der Gedanke ein Stück weit. Und die Erinnerung an Niamh. Ihr Gesicht. Immer wieder denkt Khalid an ihre Augen. Auch das hilft.
Tagelang hatten sie ihn gefoltert, ihn vom Schlafen abgehalten, Tage lang mit den Füßen nach oben aufgehängt, Wasser in Mund, Nase und Ohren laufen lassen. Er hat aufgegeben. "Unrechtmäßiger feindlicher Kämpfer". Er hat unterschrieben. Nur, damit das alles endlich aufhört. Und jetzt Guantanamo. Dabei hatten sie versprochen, ihn nach Hause gehen zu lassen. Er solle nur unterschreiben. Gestehen. Statt dessen höhnisches Gelächter nachdem er seinen Namen auf das Papier gekritzelt hatte.
Zwei lange Jahre wird Khalid aus der Welt gefallen, gefolter, gedemütigt sein, bevor er nach England zurückkehren kann. Zwei unendliche Jahre, in denen Khalid seine Jugend, sein Selbst, seinen Glauben an das Leben verliert. Und die Welt, sie hat sich einfach weiter gedreht. "An manchen Tagen fällt es Khalid vor lauter Müdigkeit schwerer als an anderen, das alles auszuhalten. (...) Er wacht mitten in der Nacht auf, sieht die Stacheldrahtzäune vor sich, hört die Schreie anderer Gefangener, steht dann auf und geht in seinem Zimmer auf und ab. Das Fenster und die Tür stehen immer weit offen, aber er traut sich nicht hinaus zu gehen, er traut sich nicht, vom Boden hochzublicken, weil er dann womöglich feststellen würde, dass er wieder in seiner Zelle ist, und das wäre unerträglich." Der mittlerweile siebzehnjährige hat Todesangst. Immer noch. Es wird lange dauern, bis Khalid auch innerlich zurückkehren kann in seine Heimat. Der Welt ist das gleichgültig. Für sie ist und bleibt er ein zumindest potentieller Terrorist. Die Gesellschaft ist misstrauisch geworden, ängstlich, ablehnend gegenüber Fremden.
Anna Perera erzählt diese unfassbare Geschichte eines Jungen, basierend auf wahren Begebenheiten. Aus der Sicht des fünfzehnjährigen Khalids erfahren wir unvorstellbare Grausamkeit, Verachtung und Willkür. Menschenrechte werden mit Füßen getreten, Gesetze verlieren ihre Bedeutung. Das ist nicht immer leicht auszuhalten. Aber wichtig, darüber zu schreiben. Und wichtig, es zu lesen. "Innocent until proved guilty? Not here, you're not."

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ar.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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