Goodbye Istanbul

Autor*in
Aykol, Esmahan
ISBN
978-3-257-06569-5
Übersetzer*in
Bauer, Antje
Ori. Sprache
Türkisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
356
Verlag
Diogenes
Gattung
Ort
Zürich
Jahr
2007
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
19,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Die junge Ece flieht vor einer aussichtslosen Liebe von Istanbul nach London. Hier will sie Vergessen finden - und erkennt, dass sie sich erinnern muss, um zu vergessen.

Beurteilungstext

In “Goodbye Istanbul” erzählt Esmahan Aykol in Ichform die Geschichte einer jungen Frau, Ece, in Zeitsprüngen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, in die Szenen aus der Vergangenheit von Eces Familie (bis zu den Urgroßeltern zurück) eingewoben sind, ebenfalls in Ichform von Ece erzählt, doch mit dem Großvater als lyrischem Ich.
Ece hat die Enge Istanbuls gefühlt, nachdem sie sechs Jahre lang ein Verhältnis mit Tamer, einem verheirateten Mann, hatte; ihr mehrfacher Versuch, sich von ihm zu lösen, scheiterte, bis seine Frau, von der zu trennen er immer versprochen hatte, erneut schwanger wurde. Ece bricht auf, verlässt Istanbul und lässt sich in London nieder. Der Aufbruch wird ihr erleichtert durch das viele Geld, das ihr der geliebte Großvater hinterlassen hat.
Ece gliedert sich nur zögernd und ängstlich in das pulsierende Leben der Weltstadt ein und bleibt eine Fremde, auf der flucht vor ihren eigenen Gefühlen und wie alle, die das Land verlassen, auf der Jagd nach etwas. Sie hat Glück und kann bei der Cousine wohnen, und wie einst Scheherazade beginnt sie an den Abenden Aylin Geschichten zu erzählen, deren Handlung sie abbricht, um sie später weiterzuerzählen. Ece erzählt von ihrem Großvater, von dessen Familie, von seinem Leid und seiner Liebe zur Großmutter. Sie vermischt Persönliches mit den Märchen und Mythen der Völker, Sie lässt damit nicht nur ein Stück Zeitgeschichte der Türkei und Armeniens entstehen. Das Bild der Familie, das sie entwirft, mit den geachteten alten Meistern, hilft ihr, sich zu erinnern und ist entscheidend für ihre eigene Identität. Ece erzählt gegen das Vergessen. Und sie, die nach London kam um zu vergessen, muss erkennen, dass Erinnerungen untrennbar verbunden sind mit andren Erinnerungen und ein Geflecht ergeben, dem man nicht entfliehen kann. Während sie vergessen will und sich dabei mehr und mehr erinnert, heilt auch ihr Herz und sie wird offen für eine neue Beziehung.
Ece setzt sich mit der Frage von Tradition und Kontinuität auseinander, auch mit der Frage nach der Bedeutung von Verschriftlichung alter Erzählungen, mit dem, was im Laufe mündlicher Tradition jeder an Eigenem in das Erzählte und die Geschichte einbringt. Somit stellt sie indirekt die Frage nach Wert, Zuverlässigkeit und Objektivität von Quellen, aber auch von Gefühlen. Zugleich erhält der Leser eine Flut von Denkanstößen zu aktuellen Fragen, wie den ökonomischen Kampf der Asylanten, die Asylfrage generell in einem Land, "wo die Politiker klug genug sind, ihre Kriege in anderen Ländern zu führen".
Ein eindrucksvoller Roman über das Vergessen und sich Erinnern, über Emigration und die Liebe.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010