Golem stiller Bruder

Autor*in
ISBN
978-3-407-81021-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
376
Verlag
Gattung
Ort
Weinheim
Jahr
2007
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
16,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das Leben in Prag um 1600 wird besonders im jüdischen Getto bestimmt durch Unsicherheit. Hier entwickelt sich die Legende vom Golem, dem starken unüberwindlichen Helfer. Der berühmte Rabbi Löw soll ihn erschaffen haben. Aber aus dem gutmütigen Helfer wird ein unberechenbarer blindwütiger Zerstörer.
Woher kommt das Böse, und wie ist es zu überwinden? Was können und was dürfen Menschen? Diese Fragen beschäftigen Jankel, der im Haus seines berühmten Onkels erlebt, wie gefährdet Leben ist.

Beurteilungstext

Mirjam Presslers Erzählung der uralten Legende vom Golem, dem künstlichen Menschen, macht sowohl den historischen Hintergrund der Zeit um 1600 in Prag und jüdische Tradition zum Thema als auch zeitlose Menschheitsfragen nach Gebrauch und/oder Missbrauch von Wissen und Erkenntnis.
Darüber hinaus liegt mit “Golem stiller Bruder” ein Entwicklungsroman vor, der Jugendlichen Mut macht - und er verknüpft Fantasy und Realität auf überzeugende Weise.
Ein farbiges, an Brueghel erinnerndes Bild vom Leben im jüdischen Getto von Prag wird gezeichnet mit vielen Details aus dem Glaubensleben der Juden. Die immer gegenwärtige Gefährdung durch gewalttätige Christen - ängstliche, aufgehetzte, wirtschaftliche Interessen verfolgende - als Grundlage jüdischer Existenz wird beklemmend deutlich .
Aber nicht nur historische Fakten werden geliefert, auch Fantasy - Elemente werden selbstsicher und -verständlich eingefügt. Nicht alles Geschehen ist logisch erklärbar.
Warum wird aus dem zuverlässig helfenden Golem plötzlich ein unberechenbar zerstörerisches grausames Wesen?
"Wenn der Mensch Leben schafft, nähert er sich Gott oder entfernt er sich von ihm?... Warum lässt er uns Wissen erlangen, ohne dass wir die Gefahren dieses Wissens einschätzen können? Warum lässt er zu, dass wir Gutes wollen und Böses tun?" (S. 359) Diese Fragen des Rabbi haben nichts von ihrer Aktualität verloren: In jedem Menschen gibt es Unvermutetes, Fremdes, gibt es den "stillen Bruder", den es zu erkennen, anzunehmen und zu integrieren gilt.
Mirjam Presslers Buch ist auch ein Entwicklungsroman. Der Waisenjunge Jankel muss als dreizehnjähriger die Verantwortung für seine kleine Schwester Rochele übernehmen. Statt liebevoll von der Tante auf dem Lande versorgt zu werden, muss Jankel sich im engen Getto der Stadt im Haushalt seines berühmten Onkels, des Rabbi Löw, in fremder Umgebung einfügen. Seine Schwester wird von ihm getrennt; Heimweh und Verlassenheitsgefühl wollen ihn überwältigen. Aber Freundschaft und Vertrauen können sich entwickeln und Entschlossenheit, das Leben in die Hand zu nehmen und das Fremde als "stillen Bruder" zu achten.
Viele Bücher aus der jüdischen Welt gibt es von Mirjam Pressler, eigene und Übersetzungen aus anderen Sprachen. Das vorliegende ist großartig! Unmöglich, es aus der Hand zu legen, bevor es zu Ende gelesen ist.
In der Schule allerdings werden nicht alle SchülerInnen das volle Lesevergnügen haben können. Dazu ist ein Grundwissen über jüdisches Leben nötig, das nicht vorausgesetzt werden kann. Interessierte SchülerInnen allerdings werden begierig nach mehr Hintergrundwissen sein. Für sie ist dieses Buch eine Fundgrube!

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Diese Rezension wurde verfasst von .
Veröffentlicht am 01.01.2010