Gelsomino im Lande der Lügner

Autor*in
Rodari, Gianni
ISBN
978-3-89603-543-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Italienisch
Illustrator*in
Verdini, Raul
Seitenanzahl
160
Verlag
LeiV
Gattung
Buch (gebunden)Fantastik
Ort
Leipzig
Jahr
2020
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
12,90 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Wie lebt es sich im Lande der Lügner? Man will Brot einkaufen und bekommt rote Tinte! Man möchte Käse essen und bekommt verschiedene Radiergummis zur Auswahl. Die Katzen sind Hunde und bellen, statt zu miauen und die Hunde miauen und sind Katzen. Ganz schön kompliziert. Und wenn es dann noch Menschen gibt, die die Fehler dem König melden, der einen dann verhaften lässt oder die Zunge abschneidet, dann wird es ernst! Erlöst wird dieses Land von Gelsomio, einem Jungen mit einem besonderen Sangestalent, der mit seinen Freunden das Gefängnis, das Irrenhaus und den Königspalast zum Einstürzen bringt, der Wahrheit zum Sieg verhilft und damit das Land befreit.
Eine fantastisches Kinderbuch, das in Form einer Parabel versucht, die eigene Auseinandersetzung mit autokratischen Staaten anzuregen.

Beurteilungstext

Das fantastische Kinderbuch "Gelsomino im Lande der Lügner" wurde 1958 zum ersten Mal in Italien veröffentlicht und erschien 1961 in einem Ost-Berliner-Kinderbuchverlag. Nun wurde es 2020 wieder im Leiv-Leipziger Kinderbuchverlag aufgelegt. Der italienische Autor Gianni Rodari (1929-1980) arbeitete als Kinderbuchautor, Pädagoge und war Ideengeber der Reggio-Pädagogik. Er wollte als politisch denkender Mensch seine Werte von Frieden und Freiheit für alle Menschen und ein kritisches Bewusstsein für die Vorgänge in der Welt vermitteln.

Dies alles sind auch noch heute geltende erstrebenswerte Absichten , die aber in der von Rodari verwandten Erzählweise für Grundschulkinder pädagogisch nicht mehr vertretbar sind. Insgesamt hat das Buch schon in seinem Erscheinungsbild einen antiquierten Charme. Das Titelbild von Raul Verdini erinnert an frühere Ausgaben von Erich Kästners "Pünktchen und Anton" oder "Emil und die Detektive". Die originellen Zeichnungen von Verdini sind humorvoll und karikaturenhaft und meist in schwarz-weiß gehalten. Vier ganzseitige farbig Aquarell-Illustrationen ergänzen das formale Erscheinungsbild. Typografisch ist das Kinderbuch nicht für Erstleser gestaltet: es fehlen der Großdruck, der Flattersatzdruck und die leichter lesbare und erfassbare Satzgestaltung.

Inhaltlich erzählt ein allwissender, kommentierender und bewertender Erzähler von dem Jungen Gelsomino, der seinen Heimatort verlässt, weil er mit seiner fantastischen Gabe so laut zu singen, dass Fenster oder Mauern zerbrechen, nicht klar kommt. Es verschlägt ihn nun in das Land der Lügner, die von einem ehemaligen Piratenkapitän - jetzt König Giacomone - regiert wird. Giacomone hat per Gesetz erlassen, dass nur noch gelogen werden darf, also Lügen zur Pflicht macht, sonst wird man verhaftet oder es wird einem die Zunge abgeschnitten (S. 23). Nun schart Gelsomino eine Reihe von Freunden um sich:
- Hinkebein, der dreibeinige aus Kreide gemalte Kater, der viel zur Errettung des Landes beiträgt,
- Tante Maiskolben und Romoletta, ihre Nichte mit den sieben Katzen,
- den Maler Bananito, der wahrhaftig lebendige Bilder malen kann,
- Benjamin-setz-dich-nicht hin, der die Krankheit hat, dass er bei jedem Hinsetzen um Jahre altert.
Gelsomino errettet durch seinen Gesang das Land der Lügner von ihrem Herrscher - mit Hilfe seiner Freunde, die er im Laufe der vielen Seitenstränge und Wendungen der Geschichte gewinnt. Die Handlung ist immer wieder durchsetzt von fantastischen Elementen, die die Hauptpersonen der Geschichte ganz natürlich ansehen.

Das ist durchaus amüsant, doch die Verdrehungen von Wahrheit in Lügen, die vielen Teilaspekte der Handlung, die moralisierenden Abschnitte (z.B. Abhandlung über die Sauberkeit) sind schwierig nachzuvollziehen. Das "Abschneiden der Zunge" ist ein Relikt aus der "schwarzen Pädagogik", das aus Kinderbüchern gänzlich verbannt sein sollte!
Die Sprache von Rodari ist ebenfalls antiquiert und teilweise wenig verständlich - ebenso die umständliche Satzgestaltung: Das "Fersengeld" oder die "römische Gänse, die das Kapitol gerettet haben" sind Beispiele für diese Art der Sprache.
Was das Buch aber historisch interessant macht, ist die satirische parabelähnliche Darstellung einer Welt der Lügen, mit Denunziantentum und einem angstbesetzen Leben der einzelnen Bürger dieses Landes der Lügner: "Niemand gestand sich Angst ein, so sehr waren sie an das Lügen gewohnt" S. 120
Vera Lengsfeld bezeichnet "Gelsomino im Lande der Lügner" als das beste Buch über die DDR und weist auf die politisch entlarvende Darstellung des Kinderbuches. Die heutigen "Fake-News" sind nur eine anderes Etikett für die gesellschaftspolitischen "Lügen". Hier ließe sich also die versteckte Sachebene, die moralische Lehre von Rodari auf die heutige gesellschaftliche Lage herausarbeiten.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass ich das Kinderbuch für Grundschulkinder eingeschränkt empfehlenswert halte - als Parabel sich diese fantastische Geschichte aber durchaus (evtl. mit Begleitung und Unterstützung) einsetzen lässt.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von hel; Landesstelle: Hessen.
Veröffentlicht am 27.11.2020

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