Future History 2050

Autor*in
Harding, Thomas
ISBN
978-3-96428-057-2
Übersetzer*in
Jacoby, Edmund
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Toperngpong, Florian
Seitenanzahl
191
Verlag
Jacoby & Stuart
Gattung
Buch (gebunden)DystopieScience Fiction
Ort
Berlin
Jahr
2021
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüre
Preis
18,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Kein ernstzunehmender Mensch zweifelt heute (2023) mehr an einer demnächst unvermeidbaren Klimakatastrophe. Wann sie kommt, weiß niemand. Ein Historiker und Archivar im Berliner Landesarchiv hat eine Pappschachtel mit Notizheften aus dem Jahr 2050 gefunden - obwohl er im Jahr 2020 lebt und arbeitet. Der Inhalt der Hefte ist bestürzend, da die drohende Klimakatastrophe mit all ihren Folgeerscheinungen viel früher begonnen hat als angenommen. Aber wie kommen diese Hefte in die Vergangenheit? Also in unsere Gegenwart! Und - viel wichtiger - welche Botschaft enthalten sie?

Beurteilungstext

Der Autor dieses Romans hat Anthropologie und Politische Wissenschaften studiert. Liest man seinen Roman, dann spürt man, dass er genau weiß, worüber er schreibt. Auch sein Illustrator - ohne ihn wäre der Text nur halb so eindringlich - hat Graphikdesign, Visuelle Kommunikation und Kreatives Schreiben studiert. Er ist Mitglied im "Think Tank 50" des Club of Rome.
Zusammen haben sie einen aufrüttelnden Bericht aus der nahen Zukunft für unsere Gegenwart komponiert. Ein Plot im üblichen Sinn ist nicht erkennbar und auch nicht notwendig. Nur soviel: Die 15-jährige Schülerin Billy interviewt im Jahr 2050 ihre hundertjährige Großmutter zur Vergangenheit ganz allgemein und zur Geschichte ihres Onkels Quentin, der als Umweltaktivist im Gefängnis gestorben sein soll. Ihre Großmutter ist für solche Gespräche prädestiniert, da sie eine ehemalige Geschichtsprofessorin gewesen ist.
Viel eindrücklicher als eine lineare Handlung von 2020 bis 2050 ist hier folgender Weg gewählt worden: Berichte der Großmutter aus mehreren Jahren dieser Zeitspanne, verquickt mit Zeitungsartikeln oder Fotos, Dokumenten und Notizen, die Billy angefertigt hat, lassen einen lückenhaften Blick in eine erschreckende Zukunft ermöglichen. Der Ausbruch der Corona-Pandemie wird noch erwähnt, doch dann folgt der Verlauf der Zeit seinen eigenen Roman-Gesetzen: Transformation der Arbeitswelt, Automatisierung, Nutzungsmöglichkeiten von Quantencomputern, Zeiten, in denen Populisten weltweit regieren, Zeiten, in denen es eine globale Währung gibt, damit die Geschäfte für einige wenige sehr gut laufen, Leihmutterschaft, Körperoptimierung, religiöse Gruppierungen, die nach dem Klimaschock oder Ökozid auftauchen, ein Polizeistaat mit willkürlichen Gesetzen und Handlungen.....
Autor und Illustrator haben einen romanhaften Hilferuf aus der Zukunft aufgenommen und präsentieren uns schonungslos die Ergebnisse unseres weltweiten Nicht-Handelns.
Neu ist diese Idee nicht, denn bereits um 2013 hat Jostein Gaarder mit "2084 - Noras Welt" einen ähnlich erschreckenden Hilferuf formuliert.
Dabei ist es gar nicht so wichtig, wie Billys Notizhefte in unsere Gegenwart kommen. Folgt man dem Physikprofessor Max Tegmark (Mitglied der American Physical Society und wissenschaftlicher Leiter des Foundational Questions Institute), so sind Paralleluniversen möglich und korrigierbare Geschichtsabläufe durchaus vorstellbar - zumindest in mathematisch-physikalischen Gedankenexperimenten.
Beide Autoren haben einen Appell zum Klimaschutz formuliert. Doch nicht nur das. Sie machen deutlich wie gegenwärtiges Handeln oder Nicht-Handeln auf unsere Zukunft sich auswirken kann. Dabei ist die Sprache nüchtern und die Illustrationen scheinen objektive Zeitungsberichte, Fotos oder Dokumente zu sein. Damit steigt die Glaubwürdigkeit ihres Textes und ihres Aufrufs.
Ja, es ist ein absolut politischer Roman, der nicht nur Jugendliche anspricht sondern auch Erwachsene. Und unmissverständlich Forderungen stellt.
Leider werden ihn wohl Vertreter:innen der sog. "Technologieoffenheit" oder andere konservative populistische Politiker*innen und Wirtschaftsmanager*innen nicht lesen oder als Fiktion abwerten.
Trotzdem ist er - auch wenn die Neuauflage 2021 erschienen ist - leider immer noch ein wichtiger appellativer Text.
"Bitte, ändert euer Verhalten. Jetzt! ... Schützt eure Zukunft! Schützt unserer Gegenwart, bevor es zu spät ist." (Billy 2050 - S. 186)
Noch können wir einigermaßen unsere Gegenwart ändern und damit Billys Zukunft. Denn sie wünscht sich eine andere Gegenwart, als sie es jetzt erleben muss. Dank unserer Untätigkeit.
Oder wird es uns wie Belsazar in Heinrich Heines Ballade ergehen? "Die Magier kamen, doch keiner verstand zu deuten die Flammenschrift an der Wand."

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 15.05.2023