Flusskind: Millilu und der Duft der Farben
- Autor*in
- Bohlmann, Sabine
- ISBN
- 978-3-522-50768-4
- Übersetzer*in
- –
- Ori. Sprache
- –
- Illustrator*in
- Ceccarelli, Simona
- Seitenanzahl
- 176
- Ort
- Stuttgart/Wien
- Reihe
- Flusskind Band 2
- Jahr
- 2023
- Lesealter
- 10-11 Jahre8-9 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- BüchereiFreizeitlektüreKlassenlektüreVorlesen
- Preis
- 12,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Hat man eine Sehbehinderung oder ist gar blind, stellt das eine große Beeinträchtigung im Leben dar. Auch Hörschäden, Taubheit, Lähmungen usw. sind nicht einfach für die Betroffenen, stellen aber auch die Mitmenschen vor große Probleme. Will man doch den oder die "Behinderte:n" möglichst optimal in die Gesellschaft integrieren. Dafür gibt es spezielle Schulen oder soziale Einrichtungen. Aber die Probleme bleiben im privaten Umfeld. Wie ist das jetzt, wenn man auf ein blindes Kind stößt? Mitleid? Nicht beachten? Was kann man richtig machen, damit das betroffene Kind nicht ausgegrenzt wird?
Beurteilungstext
Millilu ist allen bereits aus ihrem ersten Buch bekannt, Damals hat das sog. Flusskind, zwei Freundinnen in einer geheimnisvollen Zeremonie zu Seelenfreundinnen zusammengeschweißt. Jetzt trifft sie, sie ist ja immer noch mit ihrem Hausboot auf Flüssen unterwegs um ihre Familie zu finden, auf Marlene, das blinde Mädchen. Sie wohnt mit ihrem Vater in einem kleinen Haus mit Garten am Ende einer kleinen Stadt. Ihr Vater fliegt mit seinem kleinen Flugzeug Geschäftsleute in andere Städte oder Länder. Wenn er unterwegs ist, kommt eine Nachbarin und passt auf Marlene auf. Allerdings sieht sie ihren Job so, dass sie ständig Seifenopern im TV anschaut und Marlene muss - auch auf Anordnung des besorgten Vaters - im dunklen Zimmer bleiben.
Das widerspricht dem Denken von Millilu. Und als Marlenes Vater beruflich für einige Tage nicht nach Hause kommen kann und die Nachbarin wegen Krankheit ausfällt, greift Millilu ein. Sie überredet Marlene mit ihr in den Garten und in den Wald zu gehen. Ja, sie zeigt Marlene ihr Hausboot und sie übernachten dort. Marlene hat auch keine Scheu mehr, Millilus Tiere, Ziege, Huhn und ein neu gefundenes Vogelkind, anzufassen. Marlene wird selbstsicherer und traut sich Dinge zu tun, von denen sie bis vor kurzem noch keine Ahnung hatte, dass es sie überhaupt gibt. Auch mit den Kindern aus der Nachbarschaft schließen die beiden Mädchen Freundschaft und es kommt am Ende des Buches zu einem großen Geburtstagskuchenessen. Marlenes Vater taucht auf und ist über die gesunde Gesichtsfarbe und das Lachen seiner Tochter unendlich froh, so dass er die Kinder zu Freiflügen einlädt.
Hier endet das Buch und Millilu muss weiterziehen um ihre Eltern und Freunde, die anderen Bootsmenschen, zu finden.
Sabine Bohlmann hat wieder eine wunderbare Kindergeschichte geschrieben: spannend, fröhlich und konstruktiv. Sie geht mit der Blindheit von Marlene positiv um. Sie beschönigt nichts, redet Marlenes Probleme nicht klein, aber sie lässt Millilu ganz natürlich mit dem Problem umgehen. Millilu nimmt Marlene ernst und zeigt ihr ihre Welt und lässt sich zugleich Marlenes Welt zeigen. So fordert sie z.B. Marlene auf zu erzählen, wie sie den Wald hört und spürt, wie sie die Natur riecht, wie sie den Fluss spürt und welche Düfte und Klänge sie Farben geben würde.
Marlene wird ein neuer Mensch und ihr Vater ist glücklich und die Nachbarkinder verlieren ihre Scheu vor ihr und ihrer Blindheit. Die blinde Marlene hat dank Millilus Freundschaft ein neues Leben gewonnen.
Auch in diesem Buch wird man wieder an Pippi erinnert. Millilu ist zwar nicht so extrem anders, aber auch sie fordert von ihrer Umgebung Gleichberechtigung für alle, Liebe zur Natur und steht für eine Einheit von Mensch, Tier und Umwelt. Sie hat Phantasie wie Pippi, denkt sich Spiele im Wald aus und spielt mit Wörtern. Und sie muss, wie Pippi auch, immer wieder gehen.
Man begreift, dass Kinder - vor allem Mädchen - Sabine Bohlmanns Bücher lieben. Auch als Erwachsene:r genießt man Sprache und Inhalt. Und liest und liest bis zum Ende.
Und doch bleibt ein seltsamer Geschmack bei diesem Buch zurück, den wahrscheinlich Kinder gar nicht schmecken - und das ist auch gut so! Sabine Bohlmann hat einige Tage in der Edith-Stein-Schule, eine Schule für Sehbehinderte und Blinde, verbracht und somit viele Erfahrungen gesammelt. Diese Kenntnisse, wie "geht man mit Blinden und Sehbehinderten um", sind 1:1 in das Buch eingeflossen, kindgerecht verarbeitet und abgearbeitet worden. Dieses Wissen spürt man unterschwellig und man wird den Verdacht nicht los, dass niederländische oder skandinavische Erzähler:innen diesen Text eleganter formuliert hätten.
Simone Ceccarelli hat zu diesem absolut wichtigen Kinderroman wieder feinfühlige naturalistische Bleistiftzeichnungen geschaffen. Nicht nur die Stimmung der Kinder ist in ihren Illustrationen sichtbar, auch der Wald lebt und atmet, die Tiere wirken lebendig und als Millilu Marlene eine Geschichte "vorliest", entsteht ein Straßenbild einer italienischen Kleinstadt (S74/75), in dem man ewig suchen und finden und in die Atmosphäre eintauchen kann.
Trotz dieses Kritikpunktes, hat Sabine Bohlmann wieder einen wertvollen positiven Kinderroman zu einem wichtigen Thema geschrieben, den Simone Cecarelli lebendig illustriert hat.