Flügel für den Schmetterling

Autor*in
Lolkoki, Ntailan
ISBN
978-3-426-78860-8
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
271
Verlag
Gattung
BiografieTaschenbuch
Ort
München
Jahr
2017
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
16,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Ntailan Lolkoki erlebte eine zerissene Kindheit in Kenia. Als Zwölfjährige wurde sie beschnitten, als 16-Jährige kam sie mit gefälschten Papieren nach Europa. Sie lebte in Großbritannien, Kenia und Deutschland, wo sie als erwachsene Frau eine Rückoperation durchführen lassen konnte. In ihrer Autobiografie erzählt Ntailan Lolkoki ihre Lebensgeschichte.

Beurteilungstext

Ntailan Lolkoki sieht in der Beschneidung, die ihr als Kind angetan wurde, die Ursache für ihren über Jahrzehnte währenden geringen Lebensmut. Auch wenn dieses Trauma vielleicht das größte ihres Lebens war, so wird beim Lesen ihrer Autobiografie schnell klar, dass es auf keinen Fall das einzige war. Ntailan zieht schon während ihrer Kindheit mehrfach zwischen Stadt und Land um und muss bereits als Grundschülerin den Spagat zwischen einem katholischen Internat und der relativ traditionellen Lebens- und Denkweise ihrer Familie bewältigen. Sie erlebt den zunehmenden Zerfall traditioneller Kultur, der mit der Sesshaftigkeit und zunehmenden Konsumorientiertheit der Menschen einhergeht, aber auch zu einer veränderten Rolle der Mädchen und Frauen im Stamm führt. Ihre Mutter wird Alkoholikerin, die Familie zerbricht. Ntailan wird von ihren Schwestern getrennt und lebt im Haushalt ihrer jungen Stiefmutter. Sie muss ihre Schulausbildung abbrechen. Als Dreizehnjährige wird sie vergewaltigt und läuft von Zuhause weg. Sie hat ständig wechselnde Wohnsitze, denen gemein ist, dass sie stets in Abhängigkeit von anderen lebt. Sie lernt europäische Touristen kennen, die sie aushalten. Mit sechzehn Jahren folgt sie dem Briten Lofty nach Leeds. Sie heiratet ihn, um in Großbritannien bleiben zu können, doch die Ehe scheitert. Ntailan bekommt Modeljobs, zieht zu einem neuen Mann nach Berlin. Sie beginnt Ausbildungen, Jobs und Beziehungen und bricht sie wieder ab, pendelt zwischen Europa und Kenia und macht den christlichen Glauben zu ihrer neuen Lebensphilosophie. Ntailan Lolkoki ist der festen Überzeugung, dass die gelungene Rückoperation der genitalen Verstümmelung und das damit verbundene neue Körpergefühl für sie der Anfang eines neuen, glücklichen Lebens sein werden. Und so sehr man der Autorin das wünscht, so groß sind doch die Zweifel, dass es so einfach sein wird.
Ntailan Lolkoki erzählt ihr Leben im Wesentlichen chronologisch. Dennoch ist es manchmal nicht leicht, ihr inhaltlich zu folgen. Ihre Sätze sind oft lang, und sie setzt nur wenige sprachliche und thematische Akzente. Inhaltlich ist ihre Geschichte dafür umso interessanter. Vieles, was ihr widerfahren ist, scheint für kenianische Verhältnisse nicht ungewöhnlich zu sein. Für Europäer ist es jedoch ziemlich unkonventionell. Die gesellschaftlichen Strukturen und zwischenmenschlichen Beziehungen in Kenia funktionieren nach offensichtlich anderen Regeln als hier. Die brutale Beschneidung von Mädchen und die damit verbundenen seelischen und sexuellen Probleme sind dabei nur ein Aspekt unter vielen. So ist "Flügel für den Schmetterling" nicht nur ein Appell, sich gegen die genitale Verstümmelung von Mädchen einzusetzen. Es ist auch ein Buch, das zur Verständigung zwischen den Völkern beitragen kann. Nicht zuletzt ist es außerdem eine sehr persönliche Aufarbeitung des eigenen Lebens, mit dem Ntailan Lolkoki den Lesern Einblick in ihre körperliche unnd seelische Intimsphäre gewährt.

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Veröffentlicht am 13.02.2018