Firekeeper´s Daughter

Autor*in
Boulley, Angeline
ISBN
978-3-570-16601-7
Übersetzer*in
Max, Claudia
Ori. Sprache
Amerikanisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
560
Verlag
cbj/cbt
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüre
Preis
20,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Sugar Island, eine kleine Insel im US-Bundesstaat Michigan, ist das Stammesgebiet der Ojibwe, einem Volk der Indian Nations. Auch die 18-jährige Daunis Fontaine, halb Native, halb weiß, lebt hier und steht an einem Scheideweg: Eigentlich träumt sie davon, wegzugehen und Medizin zu studieren. Doch dann erkrankt ihre Großmutter mütterlicherseits schwer und Daunis will sich um die Familie kümmern. Als Daunis in einen Mordfall verwickelt wird, überschlagen sich die Ereignisse.

Beurteilungstext

Mit ihrem Debütroman „Firekeeper´s Daughter“ erzählt Autorin Angeline Boulley farbig und sehr authentisch auch die Geschichte ihrer Gemeinschaft. Sie ist selbst Ojibwe, auf Sugar Island aufgewachsen und hat bis zu ihrer Karriere als Schriftstellerin im „Office Of Indian Education“ für das US-Bildungsministerium gearbeitet. Gekonnt verwebt sie Wissensvermittlung über die Kultur und Lebensumstände der Natives im heutigen Amerika mit einer tiefgründigen Romanhandlung, bei der vor allem die Hauptprotagonistin Daunis überzeugt.
Hin- und Hergerissen zwischen den zwei Kulturen ihrer Familien muss sie immer wieder ihre eigene Position ausloten. Die „zhaaganaash“-Seite (Slang-Wort für Siedler, Nicht-Natives) ihrer Mutter, die Fontaines; sind reich, karriereorientiert und vor allem weiß. So hat Daunis´ kranke Großmutter nie Interesse an indigener Kultur, ihren Traditionen und Zeremonien gezeigt und sie als Aberglauben abgetan. Zu der Familie des Vaters, Firekeeper vom Stamm der Ojibwe, wollte sie so wenig Kontakt wie nötig. Daunis jedoch liebt und lebt auch diese ihre Wurzeln. Besonders wenn Angeline Boulley Ojibwe-Rituale beschreibt oder ganze Abschnitte mit Sagen und Geschichten in Originalsprache füllt, verströmt der Roman eine besondere geheimnisvolle Atmosphäre.
Im Nachwort sagt die Autorin selbst über ihre Protagonistin, wie schwierig es für sie ist: Daunis will beiden Seiten gerecht werden und fühlt sich so manchmal nirgends zugehörig. Im Fortlauf des Buches erkennt Daunis jedoch die Stärke ihrer beider Identitäten. Ihr wird klar, dass sie die Richtige ist, um ihre Gemeinschaft zu beschützen. Denn viele Natives kämpfen mit einer Drogenabhängigkeit, vor allem Chrystal Meth ist ein riesiges Problem im Ojibwe-Reservat. Es kommt zur Katastrophe und Daunis wird vom abhängigen Travis mit der Pistole bedroht:
„Als Travis sich umdreht und den kurzen Revolver auf mich richtet, bleibe ich wie angewurzelt stehen. (...) Revolver. Schock. Revolver. Ungläubigkeit. Revolver. Angst. Mein Herzklopfen hallt mir in den Ohren wider. Es ist das einzige Geräusch. THA-THUM-THA-THUM THA-THUM. Travis´ Hände zittern leicht. (...) Ich werde sterben. Lily wird mir beim Sterben zusehen.“
Doch stattdessen erschießt Travis Lily, Daunis´ beste Freundin. Das FBI beginnt undercover auf Sugar Island zu ermitteln und rekrutiert Daunis als Ermittlerin. Jetzt entwickelt sich „Firekeeper´s Daughter“ zunehmend zum spannenden Thriller, aber es hat auch recht lange bis zu diesem Punkt gebraucht. „Zäher Einstieg“ und „Langatmig“, so lauten einige Kritiken und tatsächlich nimmt sich Boulley für die Beschreibung der Lebenswelt, des Alltags und auch der Gefühle ihrer Protagonistin viel Zeit. Sie reduziert ihren Roman auf Daunis als alleinige auktoriale Erzählerin. Das lässt uns Lesende einerseits ganz nah an sie heran; lässt uns all ihre Erlebnisse, die Angst und Zweifel aber auch Zuversicht und Selbstbehauptung ganz nah und authentisch miterleben. Andererseits verzögert es den Fortschritt der Handlung bei zunehmender Komplexität.

Fazit: „Firekeeper´s Daughter“ ist ein Roman mit Gewicht, im wörtlichen wie auch übertragenen Sinn. Der cbj-Verlag hat es als massives Hardcover mit einem wunderschönen und vielsagenden Cover herausgebracht, aber wer eingängige und kurzweilige Unterhaltung sucht, könnte von den 560 Seiten abgeschreckt werden. Auch inhaltlich ist der Roman ein ganz schöner Brocken und etwas für alle Jugendlichen und Erwachsenen, die sich für die Indian Nations interessieren und die Geduld haben, sich beispielsweise auf ganze Buchpassagen in Originalsprache einzulassen. Die Hauptprotagonistin Daunis bietet aufgrund ihres jugendlichen Alters und ihren Versuchen, in der Welt für sich einen eigenen Platz zu finden, jedoch auch ganz universell und unabhängig von der Native-Thematik vielfältiges Identifikationspotential. Vom Verlag ist „Firekeepers Daughter“ ab 14 Jahren empfohlen, Daunis ist jedoch schon 18. Etwas ältere Jugendliche und junge Erwachsene ab 16 können sich hier mit ihren Lebensthemen und –Entscheidungen vielleicht besser identifizieren.
Das Setting des Romans ist zugleich ungewöhnlich und faszinierend und macht einen großen Teil seines Charmes aus. Es ist jedenfalls mal etwas ganz Neues und bisher gab es, zumindest für die junge Zielgruppe, nichts Vergleichbares. Klar, der deutschen Leserschaft sind bestimmt die „Indianer-Romane“ von Antje Babendererde ein Begriff und die große Rolle, die indigene Protagonist:innen dort spielen. Antje Babendererde lebte lange Zeit in den Reservaten, recherchierte für jedes ihrer Bücher genau. Sie kennt die Menschen dort und ihre Situation, das ist ihr auf keinen Fall abzusprechen. Aber sie ist eben nicht selbst Native American. „Firekeeper´s Daughter“ bricht diesen „Blick von außen“ endlich auf und zeigt, ähnlich vielleicht auch wie die wichtige kritische Auseinandersetzung mit dem Wort „Indianer“, den richtigen Weg in die Zukunft.
Den Nerv der Zeit trifft Boulley jedenfalls, in den USA stand das Buch lange auf Platz 1 der "New York Times"-Bestsellerliste. Auch für uns hier in Deutschland lohnt sich das Lesen, das muss noch einmal besonders betont werden. Auf den letzten 20 Seiten finden sich neben einer Anmerkung der Autorin über ihr Leben und ihre Intention zum Schreiben des Buches auch ein umfangreiches Glossar und weitere Erklärungen zu wichtigen Stichworten im Buch. Eine abschließende historische Einordnung zeigt vor allem uns europäischer Leserschaft auf, wie wenig wir außerhalb unseres eigenen Kulturkreises über die Geschichte der USA (das umfasst sowohl historische Daten als auch aktuellere Geschehnisse) eigentlich wissen. „Firekeeper´s Daughter“ schließt da so einige Wissenslücken und genau das ist auch das erklärte Ziel von Autorin Angeline Boulley, dem sie die letzten Zeilen ihres Romans widmet:
„Genaue und korrekte Informationen über Native Americans sollten den verletzenden Stereotypen und der unsensiblen Verallgemeinerung ein Ende machen. Indigene Völker sind keine Relikte der Vergangenheit. Native Americans sind Teil der modernen Gesellschaft, sie gehören zur Lebensdynamik und den unterschiedlichen Lebenswelten.“ (S. 559)

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Diese Rezension wurde verfasst von SJ; Landesstelle: Thüringen.
Veröffentlicht am 15.12.2022

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