Extra Garn
- Autor*in
- Barnett, Mac
- ISBN
- 978-3-7725-2688-6
- Übersetzer*in
- Lin, Susanne
- Ori. Sprache
- Englisch
- Illustrator*in
- Klassen, Jon
- Seitenanzahl
- 40
- Verlag
- Freies Geistesleben
- Gattung
- BilderbuchFantastikSachliteratur
- Ort
- Stuttgart
- Jahr
- 2013
- Preis
- 15,90 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Das Mädchen Annabelle findet eine kleine Truhe voller buntem Garn - und beginnt zu stricken. Das wunderbare Garn wird jedoch nicht weniger, und so nimmt das Schicksal seinen Lauf...
Beurteilungstext
Die Stadt, in der Annabelle wohnt, ist eine monochrome Wüste: Alle Gebäude, alle Personen, alle Kleidungsstücke, einfach alles ist in einem dunklen braun gehalten und von Tristesse geprägt. Nur der allgegenwärtige Schnee schafft Kontrastflächen, wenn schon nicht Farbtupfer. So fallen Annabelles Pullover schnell auf - und alle wollen auch einen haben: zuerst der Hund Mars, dann Freund Nico und dessen Hund, dann die Schulklasse samt Lehrer, dann alle möglichen anderen Personen. Auch Autos, Bäume und Häuser erhalten einen Pullover. Als sich die Kunde von dem wunderbaren Garn über die Welt verbreitet, kommen die Menschen, die Attraktion zu sehen. Ein modebewusster Erzherzog bietet Annabelle Unsummen für die Truhe, doch die will nicht verkaufen. Als er das Garn daraufhin stehlen lässt, macht er eine überraschende Entdeckung. Annabelle hingegen ist nicht zu schaden.
Diese kleine fabelartige Geschichte bedient sich vielfältiger Motive und sprachlicher Strukturen, z.B. aus dem Märchen. Die wunderbare Gabe wird nicht erklärt, sie findet zu einem ehrlichen Kind, dieses nutzt sie uneigennützig - bösartige Mächte können sie nicht vereinnahmen. Das Kind scheint unter einem wunderbaren Schutz zu stehen. Das Motiv des süßen Breis führt dabei zu einer anderen Pointe - das Fass ohne Boden versiegt, wenn es in die falschen Hände gerät. Das Kind ist hingegen von dem materiellen Reichtum gar nicht abhängig.
Die besondere Stimmung des Buches erzeugen die Illustrationen Jon Klassens. Diese sind gedruckte und gezeichnete Tuschebilder, die auf weißem Hintergrund in dunkelbraun gehalten sind, dann jedoch mehr und mehr vom bunten aufgedruckten Garnmuster erobert werden. Die schablonenhaften Gestalten erzeugen ein statisch-komisches Bild - gerade durch den bühnenhaften Aufbau, der fasst puppenartig wirkt. Auch die Überlagerung unterschiedlicher zeitlicher Bezugskontexte - die märchenhafte Geschichte zeigt sich in einer aktuellen Welt mit Autos, Brillen und Hundeleinen, der Erzherzog wirkt hier etwas anachronistisch - intensiviert den Blick und pointiert die Unglaublichkeit der Handlung, wobei sie aus einem rein märchenhaften Kontext ins Hier und Jetzt geholt und dadurch gleichzeitig in ihrer Alltagsfunktion prägnant überhöht und aktualisiert wird.
Insgesamt liegt hier ein gerade in seiner Einfachheit geniales Werk vor, das humorvoll und ganz unpathetisch, und doch moralisch stark argumentiert. Es ist allen kleinen und großen Lesern ausdrücklich zu empfehlen.