EVIL - Das Böse

Autor*in
Guillou, Jan
ISBN
978-3-446-20646-5
Übersetzer*in
Haefs, Gabriele
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
379
Verlag
Hanser
Gattung
Taschenbuch
Ort
München
Jahr
2005
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der 14jährige Erik wird er von seinem Vater regelmäßig geschlagen. In der Schule ist er Anführer einer Gang, die Mitschüler erpresst. Als diese auffliegt, ist seine letzte Chance ein renommiertes Internat, in dem er als Sportler und sehr guter Schüler Erfolg hat. Das Terrorsystem, das die älteren Schüler mit Duldung des Rektors als “Kameradenerziehung” ausüben, kann er bei aller Stärke nicht durchbrechen. Aber er hält durch, kehrt nach Hause zurück, rechnet mit dem Vater ab.

Beurteilungstext

Ein brillant geschriebenes Buch! Ich habe selten gelesen, dass ein Autor die Strukturen der Gewalt so differenziert dargestellt hat. Warum erscheint dieses Buch erst jetzt, 24 Jahre nach seinem Erscheinen in Schweden (1981), auf Deutsch? Anlass für die deutsche Ausgabe scheint die 2004 für den Oscar nominierte Verfilmung von Mikael Hafström zu sein.
Der schwedische Erfolgsautor Jan Guillou, bekannt geworden durch politische Thriller und historische Romane, konzentriert sich ganz auf seinen Protagonisten, dem er ungewöhnliche Körperkräfte, Erfahrungen und Intelligenz mitgibt.
Der Einstieg erfolgt über die sehr konkret geschilderte tägliche Prügelszene, die Erik nach dem Mittagessen ertragen muss und in der der Vater, offenbar alkoholkrank, seine Aggressivität in sadistischer Weise austobt. Diese Schläge, mit denen er für angebliche Verstöße während des Mittagessens “bestraft” wird, kann Erik nur ertragen, indem er seinen Hass zu einer eisigen Kugel in sich werden lässt, die ihn bewußtlos macht für die unmenschliche “Zuwendung”. Diese Szene wird in der Schlussszene eindrucksvoll wieder aufgegriffen. Im Internt wird diese seine Fähigkeit, auch schlimme Schmerzen zu ertragen, zu einer seiner stärksten Waffen gegen die Folterungen und die Erpressungsversuche der älteren Schüler.
Das Gegengewicht zum prügelnden Vater und der Mutter, die schweigend seine tägliche Demütigung und Verletzung hinnimmt, bildet für Erik die Freundesclique in der Schule, mit der er andere ausnutzt, unter Druck setzt, prügelt, erpresst. Hier zeigt der Autor überaus deutlich, wie Gewalt aus erlittener Gewalt entsteht.
Bei Diebstählen in Geschäften werden Bandenmitglieder erwischt und die Mitglieder der Gang machen ihn zum Hauptschuldigen, der deswegen der Schule verwiesen wird mit dem Spruch des Rektors: Ihm fehle eine gehörige Tracht Prügel!
Damit ist der Leser/ die Leserin ganz eingestimmt auf das Thema des Buches: die Entstehung und Entwicklung gewalttätiger Strukturen und die Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.
Den Hauptteil machen Eriks Erfahrungen in dem Eliteinternat aus, das er dank Gelder der Mutter besuchen darf, um nach seinem Schulverweis noch eine Chance auf das Abitur zu haben.
Auch wenn erst an einer späteren Stelle deutlich wird, dass die Geschichte vermutlich in den 50er Jahren spielt - es wird wiederholt Bezug genommen auf das Naziregime in Deutschland und die Quislinge in Norwegen - sind die geschilderten Erfahrungen mit Terror, Mitläufertum zeitunabhängig. Auch das macht die Qualität des Buches aus.
An diesem Internat gibt es ein Terrorsystem der älteren Schüler über die jüngeren, vom Rektor geduldet, von den meisten Lehrern übersehen, von den Eltern negiert oder gut geheißen: als Vorbereitung auf leitende Positionen in der Gesellschaft müsse man zunächst gehorchen lernen! Guillou schildert in intensiven, oft quälenden Szenen, wie Schüler unter freudigem Gejohle der Zuschauer fertig gemacht werden. Das Regelsystem der Schule, die “Kameradenerziehung” basiert darauf, dass die Älteren alles mit den Jüngeren machen dürfen, während dise mit dem Rausschmiss bestraft werden, wenn sie einen der Älteren schlagen. Ein durch und durch faschistoides System!
Dagegen setzt der Autor Erik und seinen weichen Freund Pierre, die sich intelllektuell mit der täglichen Gewalt an der Schule und den Reaktionen ihrer Mitschüler auseinander setzen. Erik diskutiert mit Pierre, wie man das Böse bekämpfen kann, ob es eine nur intellektuelle Form des Kampfes wie Gandhis gewaltlosen Widerstand dagegen gibt. Diese Partien werden auch im Schriftbild abgesetzt und machen durch ihren reflektorischen Charakter manche der geschilderten Szenen erst ertragbar.
Der Autor verneint durch seinen Ablauf der Geschichte, dass man “das Böse” durch passiven Widerstand erfolgreich bekämpfen kann. Der Rückblick auf das Terrorregime der Nazis ist immer wieder spürbar.
Pierre hält nicht durch und flieht aus dem Internat, als die Älteren ihm eine tägliche Hölle bereiten, um Erik zur Aufgabe und zur Anerkennung des Regelsystems zu bringen. Erik hält die zwei Jahre durch, aber nur, weil er in den letzten Wochen eine Form des gewaltätigen Zuschlagens findet, die nicht zu seiner Entlassung führt. Eine Liebesgeschichte mit einem der finnische Dienstmädchen bringt beinahe trotzdem das Ende, aber auch eine Wendung zum Positiven: erstmals erhält er Unterstützung von außen durch einen Erwachsenen gegen das Unrecht, das ihm von seiten der Schule zuteil wird.
Auch wenn der Leser/ die Leserin erleichtert erfährt, dass Erik durchgehalten hat, setzt sich das Unbehagen, die Angst vor einer derartigen Bedrohung fest. Auch die Schlusszene, die die Abrechnung mit dem Vater beinnt, unterstützt dieses widerstreitende Gefühl. Gibt es keinen positiven Lerneffekt aus den Gräueln des Naziterrors? Was muss sich in einer Gesellschaft ändern, damit Kindern nicht derartiges Unrecht angetan wird, weder von Eltern noch Schule?
Das Buch wendet sich an intelligente und zur Empathie fähige Menschen - ein Einsatz im Klassenunterricht ist in der Oberstufe denkbar und empfehlenswert.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von uwo.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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