Esterhazy. Eine Hasengeschichte

Autor*in
Hans Magnus Enzensberger, Irene Dische
ISBN
978-3-446-23310-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Sowa, Michael
Seitenanzahl
32
Verlag
Hanser
Gattung
BilderbuchSachliteratur
Ort
München
Jahr
2009
Lesealter
6-7 Jahre8-9 Jahre10-11 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Das altehrwürdige Hasengeschlecht der Esterhazys zeigt Dekadenzsymptome. Die Nachkommen werden immer kleiner. Ursache ist der Verzehr von Süßigkeiten statt von Gemüse. Da greift der Patriarch durch. Er schickt seine Enkel in die weite Welt, damit sie sich große Hasenfrauen suchen. So kommt der jüngste Spross nach Berlin, wo es angeblich hinter der Mauer noch große Häsinnen gibt. Und tatsächlich, der kleine adlige Hase findet seine große bürgerliche Mimi und erlebt auch noch den Fall der Mauer.

Beurteilungstext

Ein Bilderbuch aus so illustrer Feder wie der von Hans Magnus Enzensberger und Irene Dische, und außerdem illustriert von einem nicht weniger berühmten Künstler wie Michael Sowa, muss ja ein kleines Meisterwerk werden. Und so ist es auch. Dieses bezaubernde Bilderbuch erschien erstmals Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, also kurz nach dem Fall der Berliner Mauer. Jetzt wurde es pünktlich zum 20jährigen Jubiläum des Mauerfalls wieder neu aufgelegt. So erklärt sich auch der politische Touch dieses witzig-ironischen Bilderbuchs. Außerdem erwartet man von einem Autor wie Enzensberger kleine politische Aperçus, selbst wenn es sich "nur" um ein Kinderbuch handelt. So gesehen ist es kein Zufall, dass sich das edle, obzwar etwas degenerierte Adelsgeschlecht der alten K.u.K.-Monarchie durch die Heirat mit einer strammen Hasenfrau erneuert, welche in einer großen Kolonie hinter der Berliner Mauer lebt. Das heißt im Klartext, diese Kolonie befindet sich im Niemandsland zwischen der alten Bundesrepublik und dem ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat. So eine Umgebung prägt natürlich. Und siehe da, bereits sechs Wochen nach der Heirat des kleinen Esterhazy mit der fast doppelt so großen Häsin Mimi erblicken sechs wohlgeratene Esterhazys das Licht der Welt. Das passiert allerdings erst kurz nach dem Fall der Mauer und nachdem das Hasenpaar aufs Land gezogen war, denn ohne die Mauer war es für Hasen in Berlin ziemlich ungemütlich geworden.
Vor diesem romantischen Happy-end hat der kleine Esterhazy aber eine ganze Menge Abenteuer zu bestehen. Die sind alle absolut Berlin-typisch. Die Autoren malen mit feinem Humor und einer guten Prise Ironie ein ganz und gar authentisches Tableau der damaligen Stadt mit ihrem Inselcharakter. Es gibt zahllose Hunde, Würstchenbuden, Polizisten und Busse - aber weit und breit keine Hasen.
Witzig ist natürlich auch das Wortspiel von Esterhazy und Osterhase; immerhin vedingt sich unser Held im Kaufhaus Wertlos als Osterhase. Der Erzählstil hat durchaus literarisches Niveau, ist jedoch keineswegs unzugänglich für kleine Leser. Dafür sorgen schon die vielen Dialoge. Selbstverständlich drückt sich der kleine Hase sehr gewählt aus, schließlich kommt er aus einem noblen Stall, außerdem ist er des Lesens und Schreibens kundig.
Diese Noblesse zeigt sich auch in seinem Äußeren, das vom Illustrator mit besonderer Sorgfalt herausgearbeitet wird. Esterhazy erscheint stets in einem adretten himmelblauen Mäntelchen mit Goldknöpfen, während die angebetete Mimi sich mit ihrem schlichten Fellkleid begnügen muss. Überhaupt die Illustrationen! Sie sind einfach meisterhaft. Das adlige Häschen wird immer in seiner Winzigkeit präsentiert. Allein und verlassen im riesigen Zugabteil, später unter grobschlächtigen Menschen im Bahnhof Zoo, dann verloren auf einer regennassen, grauen Straße. Die Umgebung erscheint bedrohlich und den Betrachter erfüllt großes Mitgefühl. Nur gut, dass es hinter der monumentalen Mauer ein Happy-end gibt.
Eine Hasengeschichte nicht nur zur Osterzeit, bemerkt der Verlag. That`s it! Und außerdem nicht nur für Kinder!

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bifi.
Veröffentlicht am 01.01.2010