Eskaliert

Schlagwörter

• Gewalt

Teaser

Irgendeine Großstadt, irgendwo in Deutschland: Die Stimmung der Clique um ihren Anführer Hobbit ist geprägt durch Langeweile, Frustration und Perspektivlosigkeit, die sich in Aggression und Pöbeleien niederschlägt. Zu verlieren haben sie nichts, genauso wenig wie Leon und Nico, die Boxer, auf die sie am See treffen. Tim und seine Freundin Leonie sind auch da und plötzlich eskaliert die Situation mit dramatischen Folgen.

Beurteilungstext

Hobbit und seine Clique bestehend aus Kemal, Janin und Jessie befinden sich in einem Teufelskreis, aus dem es kaum eine Chance auf ein Entkommen gibt: aus Langeweile und Frustration wird Alkohol konsumiert, geklaut, jüngere Schüler werden “abgezockt”, Leute angepöbelt und ständig provoziert; die Schwelle zur Aggressivität ist sehr gering. Ihnen wird nichts anderes als Versagen zugetraut und im Gegenzug trauen sie ehrlichen Versuchen zur Hilfe nicht, weil sich sowieso nichts ändert. Darius, der große Bruder von Hobbit, versucht sich mit Hilfe seiner Freundin Aylin, die für ein Studium und damit ein besseres Leben kämpft, aus dem Abwärtsstrudel von Gewalt und Kriminalität zu befreien, was sich aber als schwierig erweist. Nico und Leon, beste Kumpels, geht es nicht anders; die Mitgliedschaft in einem Boxclub erweist sich nicht wirklich als Ausweg.
Aus der Multiperspektive verfolgt der Leser/die Leserin das Geschehen, welches nur an einem Tag stattfindet. Jedes Kapitel ist dabei mit dem jeweiligen Namen, dem Datum und der Uhrzeit überschrieben, so dass der Leser/die Leserin sich orientieren kann, um wen es sich gerade handelt. Die Protagonistin Leonie befindet sich in der Gegenwart und beschreibt aus der Ich-Perspektive ihre Gedanken und Gefühle, während sie an Tims Krankenbett sitzt und hofft, dass er aus dem Koma erwacht. Innerhalb dieser neun Tage durchläuft sie einen Entwicklungsprozess über Fassungslosigkeit, Schuldzuweisung, Angst, Gelähmtheit bis hin zu neuem Mut und Stärke. Sie überdenkt ihre Beziehung zu Tim und dessen Beziehung zu seinen Eltern und seinem kleinen Bruder Moritz, zieht Schlussfolgerungen und überlegt, wie sie es in Zukunft besser machen können. In der Retrospektive wird zwischen Leonies Gedanken in personaler Erzählweise der Tag aus der Sicht der beteiligten Protagonisten erzählt, die konsequent zusammen laufen und dadurch Spannung erzeugen, was denn nun genau passiert ist. Der Leser/die Leserin bekommt durch diesen erzählerischen Trick einen sehr guten Überblick und kann sich zudem in die Personen hineinfühlen und verstehen, warum es zu dieser Eskalation gekommen ist. Der Blick des Lesers/der Leserin wird dahin gelenkt, hinter die Fassade zu schauen und sich nicht hinter Vorurteilen zu verstecken - auch Täter haben eine Geschichte. Das Ende bleibt offen und lässt den Leser/die Leserin mit ein bisschen Hoffnung zurück, dass es doch einen Ausweg gibt.
“Eskalation” von Wolfram Hänel ist eine Geschichte, die unter die Haut geht und zum Nachdenken anregt, vor allem, weil man in den Medien immer wieder mit Gewalt von Jugendlichen konfrontiert wird. Der Autor versucht Antworten auf die Frage “Warum” zu geben, was ihm sehr eindrucksvoll gelungen ist.