Engel von Berlin

Autor*in
Meißner-Johannknecht, Doris
ISBN
978-3-401-02723-4
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
168
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2005
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
5,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Matti und Teresa, zwei Jugendliche aus sehr konträren sozialen Milieus, finden auf eigentümliche Weise zueinander und werden sich immer ähnlicher: eine Tragödie für das aus noblen Verhältnissen stammende Mädchen, ein großes Glück für den jungen Mann vom Straßenstrich.

Beurteilungstext

Meißner-Johannknecht erzählt einfühlsam die Geschichte zweier Jugendlicher, die nach außen hin in komplett unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind, doch teilen sie mit vielen Jugendlichen ein Schicksal: Beide haben nie emotionalen Rückhalt oder etwas wie Nestwärme innerhalb der Familie erleben dürfen. Somit ist "Engel von Berlin" ein Buch, das viele Jugendliche berühren und zum Nachdenken anregen könnte.
Beide Protagonisten lassen sich als "Engel" symbolhaft begreifen: Matti, der stets dem Traum vom Fliegen, einem emotionalem Höhenflug nacheifert einerseits, auf der anderen Seite sehen wir Teresa als "gefallenen Engel". Beide streben nach Freiheit, Unabhängigkeit und sehnen sich nach der Leichtigkeit eines Flowerlebnisses.
Sozial und finanziell gab es in Teresas Leben nie wirklich Probleme, doch rebelliert die 17-jährige gegen das Heile-Welt-Getue ihrer allein erziehenden Mutter. Sie türmt aus einem Nobelinternat und kommt auch in Berlin, als sie wieder bei ihrer Mutter wohnt, nicht der allgemeinen Schulpflicht nach: Sie lernt den Streuner Matti kennen, schwänzt die Schule und versucht ihren Traum von der Schauspielerei zu verwirklichen. Sie macht sich auf die Suche nach ihrem Vater, den sie bis dato nie kennen lernen durfte. Als sie die Aufnahmeprüfung einer Schauspielschule nicht besteht und das Schulschwänzen auffliegt, wird sie von ihrer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung verbannt. Nun steht Teresa am selben Scheideweg wie ihr neuer Freund: Matti lebt in einem von Sozialarbeitern betreuten Wohnheim und verdient sein Geld zunächst am Bahnhof Zoo als Stricher. Durch Teresa schöpft er neuen Lebensmut und versucht, sein Leben ohne "krumme Geschäfte" neu zu ordnen, was ihm mit der Zeit immer besser gelingt. Trotzdem muss er immer wieder Rückschläge verkraften. Beispielsweise verpasst er seine letzte Gelegenheit, seinen Schulabschluss nachzuholen und verliert sein Zimmer im betreuten Wohnheim, weil er sich nicht an die dort geltenden Regeln halten kann.
Obwohl beide Hauptfiguren keine "reinen" Engel sind, fühlt der Leser doch mit beiden Schicksalen. Alle Verwerflichkeiten, denen sich Matti und Teresa hingeben, kann man ihnen mit etwas gutem Willen nachsehen: So wird Diebstahl zwar nicht zum Kavaliersdelikt erklärt, aber dennoch lassen sich die finanziellen und emotionalen Nöte beider Jugendlicher nachvollziehen. Ebenso lässt sich sexuelle Hingabe ohne Liebe als eine Art Hilfeschrei bzw. Notbehelf akzeptieren. Im Grunde sind beide Hauptfiguren ziemlich traurige Gestalten, die den Anforderungen und Vorstellungen der Gesellschaft bzw. ihrer Familie nicht entsprechen können oder wollen.
Da jeweils ein Kapitel aus der Sicht Mattis, eines aus der Ich-Perspektive Teresas erzählt wird, können sowohl Jugendliche, die ähnliches erlebt haben, als auch jene, denen es besser ergangen ist, als den Protagonisten, ihre Entscheidungen, Gefühle und Handlungen nachvollziehen. Der Leser bekommt durch den Perspektivenwechsel einerseits das Angebot, sich mit den Protagonisten zu identifizieren. Andererseits kommt es häufig gerade dann zum Distanz schaffenden Perspektivenwechsel, wenn Matti oder Teresa dazu tendieren, unmoralisch zu handeln. Die Lektüre dieses Buches erlaubt somit für kurze Zeit den Zwiespalt sozial gefährdeter Heranwachsender nachzuvollziehen und gibt Denkanstöße, wie es jenen Jugendlichen ergeht und wie ihnen im wirklichen Leben geholfen werden könnte. Man kann sich auf dem Hintergrund der Klassenlektüre dieses Romans interessante Unterrichtsdiskussionen über unsoziales Verhalten, sozialen Absturz und andere hier beschriebene, prekäre Themen wie Sex ohne Liebe, Scheidung und die Bedeutung des emotionalen Rückhalts in der Familie vorstellen.
Die sprachliche Gestaltung des Erzähltextes ist eher simpel und deshalb leicht verständlich. Durch elipsenhafte, einfache (z.T. grammatikalisch auch fehlerhafte) Sätze, hat man den Eindruck, man könne die Gedanken der Figuren lesen. Die Wortwahl entspricht weitgehend dem heutigen Jugendjargon, tendiert aber leider etwas zur Umgangssprache. Dies zeichnet vielleicht keine besonders hohe literarische Qualität des Romans aus, komplettiert aber das Potential zur Identifikation mit beiden Hauptfiguren. So kann "Engel von Berlin" insgesamt doch zur Anleitung zur höheren Literatur verstanden werden.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von HeDa.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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