Elender Krieg 1914-1919

Autor*in
Tardi, JacquesVerney, Jean Pierre
ISBN
978-3-03731-119-6
Übersetzer*in
Budde, Martin
Ori. Sprache
Französisch
Illustrator*in
Tardi, JacquesVerney, Jean Pierre
Seitenanzahl
144
Verlag
Edition Moderne
Gattung
Comic
Ort
Zürich
Jahr
2014
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
34,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Das Gesicht des Krieges ist eng mit Bildern verbunden, die das kollektive Gedächtnis prägen. Hier liegt nun eine Bilderzählung vor, die zwischen Geschichte und Dokumentation verhandelnd den Ersten Weltkrieg beschreibt. Schockierend, abstoßend und ehrlich.

Beurteilungstext

Zum hundertjährigen Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs erscheinen viele Bücher, die den Beginn eines mörderischen Jahrhunderts in den Blick nehmen. In Jacques Tardis Grafic Novel sind es nicht die großen Zusammenhänge, die Ursachen und Beziehungskonstellationen die beschrieben werden, es ist die chronologische Dokumentation von über vier Jahren Krieg; von der ersten Euphorie bis zu den Nachwehen einer zerstörten Generation. Aus der Perspektive eines schemenhaften Ich-Erzählers, der wenig selbst in Szene gesetzt wird und eher den Blick auf den Krieg durch die Augen eines Beteiligten ermöglicht, nehmen wir am Geschehen teil. Dabei wechseln sich anekdotische Szene und allgemeine Entwicklungen ab, wobei immer wieder auch ein weiterer Blick auf das Geschehen, eine Darstellung großer Ereignisse hervorgebracht wird, in denen der Ich-Erzähler zurücktritt und eher der Historiker zu sprechen scheint. Neben den narrativen Elementen der Anekdoten sind es viele Gegenüberstellungen und Parallelismen, die das Buch prägen. Auf deutscher und französischer Seite läuft vieles identisch ab und der Kommentator formuliert sein Unbehagen ebenso wie seine Hilflosigkeit, sich gegen das offensichtliche Unrecht auf beiden Seiten zur Wehr zu setzen bzw. sich dem Unrechttun überhaupt erst einmal als Akteur zu entziehen. So wird die Verstrickung zum gravierenden Problem dieser Generation, die hier in den Schützengräben langsam aber sicher ihre Identität verliert.
In den comicartigen Bildfolgen zeigen sich den oft nüchternen und trockenen Kommentaren entgegengesetzte Szenarien. Tod und Zerstörung werden in unmittelbarer Nahaufnahme gezeichnet. Die typisierten Figuren zeigen das Gesicht des Krieges, wobei der Zeichner mit vielen historischen Bildern in interpiktoraler Perspektive arbeitet. Schockierend und abstoßend wird die Verwandlung der Menschen in tierähnliche Wesen und die Zerstörung des Einzelnen im Schützengraben vor Augen geführt. Mitgefühl ist irgendwann auch für den Betrachter nicht mehr möglich, der sich selbst in Distanz zum Gesehenen bringen muss; was der Ich-Erzähler längst bewältigt zu haben scheint. Das Mantra am Ende auf Seiten des Lesers kann nur lauten: Nie wieder Krieg.
Im letzten Teil des großformatigen Buches findet sich eine historische Dokumentation, in der Jean Pierre Verney anhand von Bildmaterial und chronologischen Abläufen das allgemeine Geschehen des Ersten Weltkriegs noch einmal nachzeichnet. Im Zusammenspiel dieser beiden Quellen entsteht ein komplexes Bild des Krieges, das besonders auch deshalb interessant ist, weil es die französische Seite des Konflikts zeigt, die der deutschen nicht sehr unterschiedlich ist, aber in unseren Breiten oft vergessen wird. In diesem Sinne ist das Buch ein faszinierender Impuls, sich mit einer der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte auseinanderzusetzen. Es ist nachdrücklich zu empfehlen.

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Diese Rezension wurde verfasst von mr.
Veröffentlicht am 01.01.2010