Eine Tüte voll Papa

Autor*in
Hübinger, Marion
ISBN
978-3-948410-40-7
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Eliashvili, Sonia
Seitenanzahl
24
Verlag
Rieder
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
München
Jahr
2022
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiVorlesen
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wie kann das Leben eines Kindergartenkindes nach dem Tod des Vaters weitergehen? In schlichter Sprache und klaren Bildern zeigen Marion Hübner und Sonia Eliashvili, welcher Trost und welche heilsamen Bindungskräfte in Symbolen und Ritualen stecken.

Beurteilungstext

Mittlerweile gibt es fast unzählige Bücher, die den Verlust eines nahen Familienangehörigen aus der Perspektive eines Kindergartenkindes schildern. Aber diese Geschichte ist wirklich herausragend erzählt und illustriert. Sie verzichtet gänzlich darauf, zu verbalisieren, was das Kind in dieser Situation fühlt bzw. fühlen sollte und wandert statt dessen behutsam und deskriptiv von Episode zu Episode. Zunächst können Vater und Tochter noch zum Bäcker laufen und "vernünftige" Dinge kaufen, auch wenn das kleine Mädchen sich nichts sehnlicher wünscht als einen der wunderbaren bunten Zuckerkringel. In der nächsten Sequenz muss die Mutter den Vater auf dem Rückweg schon stützen. Und dann heißt es: "Papa geht nicht mehr zur Bäckerei. Nie mehr." Das Kind verkriecht sich im Mantel des Vaters und versucht, ihn durch dessen Geruch heraufzubeschwören.

In wenigen schlichten Sätzen gelingt es Marion Hübner zu zeigen, wie schwer es gerade für kleinere Kinder ist, die Endgültigkeit und Irreversibilität des Todes zu fassen. Wo ist der tote Vater jetzt? Erwachsene sind schnell dabei, Kinder mit dem Hinweis zu (ver)trösten, der oder die Verstorbene sei jetzt im Himmel oder säße auf einer Wolke. Angesichts der grausamen Trennung durch den Tod ist es besser, nach einer handfesten Verbindung zu suchen. Besonders bei jüngeren Kindern funktioniert das nur durch sinnliche Erfahrungen, durch Symbole und Rituale. "Eine Tüte voll Papa" ist tatsächlich ein ausgesprochen sinnliches Buch. Farben, Gerüche , Geschmack sind auf jeder Seite präsent. Wir sehen die bunten Blätter im Herbst, Menschen versteckt unter schwarzen Schirmen mit Schneeflocken darauf, die traurigblaue Dunkelheit des Kinderzimmers, einen Teppich quietschbunter Zuckerkringel. Für das kleine Mädchen wird der Kringel zu einem tröstenden Symbol. Angesichts der dahinschwindenden Lebenskraft hatte der Vater nämlich alle Grundsätze über Bord geworfen und die Tochter einen der bunten Kringel aussuchen lassen: "Mir wird schwindlig vor Glück". Und genau das ist nun ein Rettungsanker: ein besonderer "Ring", mit dem sie dem Vater verbunden bleibt. Am Ende des Buches wird sie mit ihrer Mutter zum Bäcker gehen und einen Zuckerkringel aussuchen und der Vater wird im Herzen dabei sein. Der Frühling ist da, das Leben ist nach dem Tod des Vaters anders geworden und doch ist es bunt und lebendig. Auch das muss die Autorin nicht expliziert formulieren. Die Bilder zeigen es und die LeserInnen fühlen es.

Eine feinsinnig erzählte Geschichte voller Symbolik und innerer Bezüge, die sich nach und nach erschließen. Auch für Erwachsene eine große Freude zu entdecken und zum Nachdenken anregend. Und mit gehaltvollen Leerstellen, die wunderbar viel Raum für vielerlei Gespräche und eigene Empfindungen lassen.

Anmerkung

Das Buch ist auch sehr gut einsetzbar in der Trauerbegleitung außerhalb von Familie, KiTa oder Schule.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von ame; Landesstelle: Niedersachsen.
Veröffentlicht am 13.08.2022