Eine Nacht

Autor*in
Wild, Margaret
ISBN
978-3-446-20705-9
Übersetzer*in
Zeitz, Sophie
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
237
Verlag
Hanser
Gattung
Ort
München
Jahr
2006
Lesealter
14-15 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
14,90 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Helen ist schwanger von Gabe und bekommt das Kind gegen den Rat der Eltern. Als Gabe von dem Baby erfährt, ändert er sein Leben völlig. Eine fast märchenhafte Geschichte in ungewöhnlich eindringlichem Gewand.

Beurteilungstext

Drei Jungen, Schüler, bilden ein cooles Trio. Sie veranstalten Parties in Häusern von Gleichaltrigen, wenn deren Eltern abwesend sind. Die Aufgaben sind gut verteilt, immer werden die Spuren restlos beseitigt. Bram ist der Organisator, der schöne Gabe beschafft Mädchen und Al ist einfach dabei. Er ist immer betrunken und kaum noch einsetzbar. Bram, der selbst mit Mutter und Schwestern in einem heruntergekommenen Wohnwagenpark lebt, genießt die Macht über Menschen und Häuser. Gabe schläft wahllos mit allen Mädchen, die sich ihm anbieten und bleibt dabei unberührt. Er ist böse, weil seine Mutter ihn verließ. Der Vater hat wieder geheiratet, Gabe lebt in einer intakten Familie, gibt sich aber alle Mühe, gefühllos zu erscheinen. Nur ein kleines Mädchen in der Nachbarschaft und deren stummer Onkel bringen ihn zu einem Verhalten, das Mitgefühl und Liebe zeigt. Al säuft, weil seine Eltern nicht miteinander reden. Er ist in der Kälte seiner Familie erstarrt, er hüllt sich in einen stinkenden Mantel, den er nie ablegt.
Bei einer Party kommen Gabe und Helen zueinander. Helen ist Kind einer wohlhabenden Familie, in der der Vater alles regelt und bestimmt. Helen wehrt sich gegen seine Bevormundung. Sie war mit einem deformierten Gesicht geboren, das viele Operationen gerichtet haben, jetzt hat sie ein bezauberndes Lächeln. Helen berührt Gabe, sie sprechen, erzählen sich von durchlebtem Leid und schlafen miteinander. Helen wird schwanger, kann Gabe aber nicht erreichen, er lässt sich verleugnen. Helen will ihr Kind bekommen - ohne Hilfe der Eltern. Der Vater fordert Abtreibung. Sie findet Arbeit und Unterkunft bei einer freundlichen, unglücklichen alten Frau. Um der zu helfen, muss sie ein Wochenende ihren kleinen Raphael weggeben. Sie versichert sich, dass Gabes Mutter zu Hause ist und stellt das Baby mit erklärendem Brief vor Gabes Haustür. Aber der ist allein und diesmal Gastgeber einer Party. Er versorgt das Baby in seinem Zimmer. Und dann kommt der betrunkene Al mit dem Baby auf dem Arm die Treppe hinunter. Er macht Anstalten es, wie vor einiger Zeit eine reife Melone, an die Wand zu klatschen. Bram überschaut die Situation und entreißt ihm das Kind. Das ist das Ende der Party, aller Parties. Schlagartig wird allen drei Jungen klar, dass es so nicht weiter gehen kann. Beinah hätten sie Schuld am Tod eines Kindes auf sich geladen. Sie fangen neu an und Gabe bemüht sich um Annäherung an Helen. Sie gibt ihm die Chance, hält sich aber klug und bedacht zurück. Sie will abwarten. Es scheint, dass alle eine Möglichkeit haben, aus ihren Verstrickungen herauszufinden. Sie sind auf dem Weg, gereift.
Die Zusammenfassung der Handlung lässt an Geschichten denken, die man oft genug gelesen und gehört hat. Erwachsenwerden ist mit Gefahren verbunden und wenn das Umfeld unsicher ist, bleiben Jugendliche leicht in Fallen hängen. Außergewöhnlich ist hier weniger die Handlung, es ist die Erzählweise, die berührt.
Geordnet in drei Teile werden dem Leser Puzzlestücke geboten, die Einblick in das Leben der Helden geben. Vorangestellt ist ein "Gedicht", das den ganzen Roman fast wie eine Beschwörung zusammenfasst. Teil eins gibt Sicht auf Gabe und seine Freunde. Fünfzig in sich geschlossene Textabschnitte zeigen wie die Jungen leben, denken, fühlen. In manchen kommt Gabe direkt zu Wort, andere bieten den Blick von außen auf Menschen und Situationen. Sie sind gesetzt wie Gedichte und werden dargeboten in sehr verdichtete Sprache. Da ist kein Wort überflüssig, keine Zeile verzichtbar. Es geht immer direkt hinein ins Wesentliche und damit wird der Leser mit getroffen. Was sich direkt auf die Personen dieser Handlung bezieht erscheint zugleich als gemeingültige Aussage. Man erkennt Momente des eigenen Lebens, Wut, Trauer, Unsicherheit, Angst, aber auch Glück und Hoffnung - eben alle Gefühle, die einen selbst oft überrollen
Der zweite Teil zeigt Helen und ihr Umfeld. "Scheiß auf ihn" ist der Untertitel hier, nicht gerade Helens Sprache aber Helens mutige Haltung ist damit treffend gezeigt. "Flehend sieht sie ihre Mutter an./ sie braucht ihre Hilfe, braucht, dass sie sagt:/ Was willst du, Helen?/ Egal, was du willst, ich bin bei dir./ Doch ihre Mutter schweigt." Und Helen macht sich allein auf ihren Weg. Ständige Abwehrkämpfe mit dem von ihr verachtetem Vater haben sie vorbereitet auf das Leben allein. Hier kommt Helen überwiegend zu Wort. Man erfährt aber auch, dass Vater und Mutter nicht wirklich die sind, für die Helen sie hält. Mrs. Evans und ihre absonderliche Hausgemeinschaft, die Helen aufnimmt - alle sind in Miniaturen so gezeichnet, dass sie Leben haben. Der zweite Teil gibt überwiegend Einblick in Helens Lage. Der dritte Teil Gabe & Helen zeigt alle Personen der Handlung und führt zum Ende, das Hoffnung macht. Deutlich wird, dass alle sich verändert haben, sie sind stärker geworden und scheinen aus dem ständigen Kreisen um sich selbst befreit zu sein. Nicht nur die Jugendlichen, auch Helens Eltern fangen neu an.
Die Geschichte von Gabe und Helen berührt, sie bietet Lesern Möglichkeiten zur Identifikation. Man hat an keiner Stelle das Gefühl, eine Übersetzung vor sich zu haben. Die Übertragung der dichten Sequenzen und der lockeren Dialoge ist stilsicher und einfach richtig.
Ein dickes Buch, 237 Seiten können auf den ersten Blick abschrecken. Der zweite Blick mildert den Schreck, so viel Weiß auf jeder Seite. Und dann beginnt man zu lesen, wird gefesselt und kann am Ende nicht fassen, wie viel auf diesen 237 knapp bedruckten Seiten erzählt wurde. Und man vergisst, dass man die Geschichte selbst zusammengefügt, sich Kommentare gedacht hat.



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Veröffentlicht am 01.01.2010

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