Ein Traum vom Fußball

Autor*in
Dijkzeul, Lieneke
ISBN
978-3-401-02995-5
Übersetzer*in
Kiefer, Verena
Ori. Sprache
Niederländisch
Illustrator*in
Seitenanzahl
262
Verlag
Arena
Gattung
Ort
Würzburg
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Bücherei
Preis
6,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Der afrikanische Dorfjunge Rahmane und seine Freunde sind begeisterte Fußballer - und gute dazu. Als ein Talentscout die Freunde entdeckt, nimmt er Rahmane und Tigani zur Ausbildung als Profifußballer mit in die Stadt. Doch Tigani ist dem Drill des Trainings nicht gewachsen und muss nach Hause zurück. Rahmane wird sogar für ein Trainingslager in den Niederlanden ausgewählt, die Chance seines Lebens. Aber in der Fremde merkt er, wie unterschiedlich es in der Welt zugeht. Will er da mitziehen?

Beurteilungstext

In Zeiten der Fußball-WM noch ein Fußball-Buch? Ich habe wenig für Fußball übrig - und doch konnte ich dieses Buch nicht vor der letzten Seite weglegen. Kommt vielleicht nicht viel Fußball darin vor? Keine Seite ohne! Aber wie Dijkzeul diese Geschichte aufbaut, viel mehr hineinpackt als den Sport, das ist meisterlich.
Die Jungen in dem afrikanischen Dorf müssen schon hart arbeiten, damit ihre Familien überleben können. Nur abends oder am Sonntag findet sich Zeit zum Spielen, in ihrem Fall sogar richtig zum Trainieren. Denn auch Erwachsene können dem Fußballfieber verfallen. Ihre Kickerei ist eher improvisiert: Kein richtiger Ball, kein Spielfeld, keine Tore, keine Schuhe. Und doch brennt in ihnen die Leidenschaft, kristallisieren sich schon früh Spielertypen heraus, ballverliebte Artisten, Solisten, Spielzugplaner. Training wie Spiel verschaffen den Halbwüchsigen eine Auszeit, eine Flucht vor den Sorgen und Nöten des Alltags, vor Krankheit, Mangel und Armut. Den Afrikanern selbst ist das gar nicht immer bewusst, die Bedingungen sind eben so und Gründe zum Feiern gibt es immer noch genügend. Auch Dijkzeul erliegt nicht der Versuchung, mit dem “Europäerblick” nur Schattenseiten zu sehen und “Mitleid” zu haben. Das Dorfleben mag ganz anders als hierzulande sein, aber es hat Größe, Schönheit, familiäre Bindung und Zusammenhalt zwischen den Menschen.
Das ändert sich schon beim Wechsel in die Stadt. Freundschaften gibt es natürlich auch hier, doch ein Grundvertrauen Aller ist hier fehl am Platze. Erst wird einer der Jungen bestohlen, Rahmanes Freund Tigani schließt sich einer Gruppe Kleinkrimineller an, beim Versuch, ihn wieder herauszuboxen, wird ein Anderer schwer verletzt und kann nicht mehr spielen. Rahmane selbst ist hin und hergerissen zwischen seinem ausgeprägten Pflichtbewusstsein dem Verein gegenüber und seiner versprochenen Fürsorge für den Freund.
Da er am “europäischsten” Fußball spielt, in Räumen und Strategien denkt, erhält er die große Chance eines Trainingslagers in Europa und fliegt mit wenigen seiner Teamkollegen in die Niederlande. Die neuen Eindrücke eines klimatisch und auch zwischenmenschlich so anders gearteten Landes machen ihm zunächst Angst, doch dank der Fürsorge seiner sehr hilfsbereiten Gasteltern arrangiert er sich allmählich mit den neuen Gewohnheiten. Doch das Grundgefühl des Fremdseins bleibt bestimmend. Sogar als er wieder zu Hause ist, in seinem Heimatdorf, empfindet er neben der Freude über das Wiedersehen stark die Veränderungen, die mit ihm selbst vorgegangen sind. Am Schluss weiß er zwar, dass sein weiterer Weg ihn immer weiter von der “alten” Heimat entfernen wird, doch die Wegweiser in die Zukunft fehlen noch. Über die Ergebnisse seiner Probe in den Niederlanden erfährt man nichts.
Dijkzeuls Buch lebt von der Intensität der Details, von der einfühlsamen Betrachtung und Beschreibung und auch von ihrem Vermögen, dem Leser eigene Bewertungen zuzutrauen. Vieles wird in nüchternen Worten geschildert und ruft heftige Gefühlsreaktionen beim Leser hervor, doch “vorgekaut” wird das nicht und jeder wird hier seine eigenen Maßstäbe anlegen.
In den meisten Fällen bleibt der Blickwinkel streng afrikanisch, man erfährt eine Vielzahl auch kleiner, aber nie unwichtiger Einzelheiten über Sitten und Gewohnheiten, Vorlieben und Vorstellungen in Rahmanes Heimat (ohne dass das spezielle Land jemals genannt würde), betrachtet mit seinen Augen aber auch die “Wunder” und Probleme seines europäischen Gastlandes, das sich nicht wesentlich in seinem Schauplatz und seiner Attitüde von Deutschland unterscheidet. Die hiesigen Vorbehalte gegenüber Fremden, seien sie Migranten oder “Gastarbeiter”, werden zwar in den Nebensatz verbannt, aber sie bleiben nicht unerwähnt.
Das Grundthema des Buches - und auch ein denkbares Motto für einen Unterrichtseinsatz - ist die einerseits völkerverbindende Kraft des Sports, andererseits seine Unfähigkeit, alle Differenzen auszubügeln und die “Völkerfreundschaft” mit einem Ball herzustellen. Allein das Unvermögen der Europäer, den Fußball auch in seinem Spielcharakter anzunehmen und sich extrovertiert und ohne kämpferische Misstöne über sportliche Leistungen aller Beteiligten zu freuen, ist eine zutreffende und wichtige Beobachtung und einer kritischen Bewertung würdig.
Ein gleichermaßen faszinierendes und berührendes Buch, das jede Empfehlung wert ist.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von bh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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