Ein Haus mit vielen Fenstern

Autor*in
Müller, Charlotte
ISBN
978-3-948743-16-1
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Dunkel-Koberg, Christiane
Seitenanzahl
80
Verlag
Kunstanstifter
Gattung
Bilderbuch
Ort
Mannheim
Jahr
2022
Lesealter
ab 18 Jahre16-17 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFachliteratur
Preis
24,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Authentische Lebensgeschichten Anfang des 20. Jahrhunderts Geborener. Ein Zeitdokument in Bilderbuchform für eher erwachsene Leser*innen.

Beurteilungstext

Charlotte Müller, Künstlerin und Kunsttherapeutin, arbeitete in Seniorenheimen und gibt mit ihrem Buch "Ein Haus mit vielen Fenstern" Einblicke in ganz unterschiedliche Geschichten der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Heime. Es sind Geschichten, die vom Alter erzählen, vom Erinnern und Vergessen, von Glück, Traurigkeit und Versäumten. Eine Bewohnerin hat immer nur mit ihrem Bruder, einem Pfarrer gelebt, nie einen Mann geküsst und nie das Meer gesehen. Ein Mann weiß zwar noch, dass er verheiratet war, kann sich aber nicht an seine Frau erinnern. Viele erzählen von Erlebnissen, die im Kontext des 2. Weltkrieges zu verorten sind, von gefallenen Männern, von der Unmöglichkeit weiter als Kindermädchen zu arbeiten, weil sie ein jüdisches Kind angefasst hatte. Damit gibt das Buch viele kleine Einblicke in die Geschichte, in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, deren Zeitzeugen immer weniger werden.
Und gleichzeitig erzählt es auch davon wie die alten Menschen ihr Dasein im Seniorenheim wahrnehmen, ob es ein guter Ort ist, an dem sie sich wohlfühlen oder nicht, davon ob sie sich noch erinnern, wie sie eigentlich dorthin gekommen sind, ob ihnen etwas fehlt, was sie gern mitgenommen hätten.
Müller und Dunkel-Koberg haben ein großartiges Buch für Erwachsene geschaffen, dass auch auf der Bildebene äußerst reichhaltig ist: Fotos wurden nachgezeichnet, Grundrisse der Zimmer skizziert, wichtige Erinnerungsstücke gemalt. Dabei ist der respektvolle Umgang mit den anvertrauten Geschichten zu betonen. Für Lesende unbedingt bereichernd, und gleichzeitig nachdenklich, vielleicht auch traurig stimmend, wie viele ambivalente Stimmungen hier zu Tage treten; es lässt darüber nachdenken, welchen Lebensabend man sich für die eigenen Verwandten und für sich selbst wünscht, ob Altenheime gute Orte sind bzw. welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sie es sind. Ein Buch, das man nicht am Stück liest, das man nicht nur einmal liest und eines, das nachhallt.
Denkbar wäre ein didaktischer Einsatz in der Sekundarstufe 2 im Geschichtsunterricht oder auch im Ethik- oder Sozialkundeunterricht, denn es wirft wichtige gesellschaftliche Fragen auf. Vielleicht sollte es auch Pflichtlektüre in der Ausbildung für Altenpflege werden. Die Empfehlung sei hiermit ausgesprochen.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von Susanne Drogi; Landesstelle: Sachsen-Anhalt.
Veröffentlicht am 14.07.2022

Weitere Rezensionen zu Büchern von Müller, Charlotte

Müller, Charlotte

Ein Haus mit vielen Fenstern

Weiterlesen