Durch die Nacht

Autor*in
Fischer, Ernst Peter
ISBN
978-3-88680-838-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
Verlag
Siedler
Gattung
Ort
München
Jahr
2015
Lesealter
16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
0,00 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Der Wissenschaftshistoriker und –publizist E.P. Fischer, Autor einer Reihe von Büchern, stellt hier eine „Naturgeschichte der Dunkelheit“ vor, in deren Kapiteln er sowohl die biblische Schöpfungsgeschichte beschreibt als auch die Phänomene Nacht, Dunkelheit und Finsternis von verschiedenenen Seiten „beleuchtet“.

Beurteilungstext

Wie der Rückentext des Buches verlockend formuliert, entfaltet E.P. Fischer in diesem Buch eine „faszinierende Reise durch die dunklen Gefilde unseres Lebens“.
Das hat teilweise seine Richtigkeit, denn der Autor bedenkt die Nacht, das Dunkel, die Finsternis stellenweise unter ungewöhnlichen Gesichtspunkten. So stellt er seinen Kapiteln gerne Zitate von Dichtern und Schriftstellern voran und versucht damit Zusammenhänge zwischen Kunst und Wissenschaft herzustellen, obwohl künstlerische Aussagen nicht immer dazu dienen, Realität 1:1 abzubilden.
Der Autor legt u.a. dar, dass die Nacht nicht nur durch den Untergang der Sonne zu erklären ist, sondern dass unser Auge zu schwach ist, um die tatsächlich „bunte“ Nacht wahrnehmen zu können, die durch viele leuchtende Sterne gar nicht so dunkel ist.
Einige wissenschaftliche Erkenntnisse erläutert er verständlich, so dass auch interessierte jugendliche Leser sie verfolgen können.
Andere Fragestellungen – wie z.B.: Warum ist die Nacht schwarz und nicht weiß, werden dem Leser wohl nicht zufriedenstellend beantwortet, wenn es auf S. 23 heißt: ...“weil das Universum – obschon grenzenlos – nicht unbegrenzt ist.“ Selbst das anschließende Beispiel mit der fiktiven Reise über eine Kugel oder durch den Kommentar, dass diese „schwer vorstellbare Geometrie,..... ein Auswuchs (!) der Allgemeinen Relativitätstheorie .... ist“, macht die Sache nicht verständlicher.
Mehrfach werden bei seinen ungewöhnlichen Assoziationen durch einen unpräzisen Gebrauch der Begriffe Nacht, Dunkelheit und Finsternis mehr Fragen aufgeworfen als geklärt. So heißt es auf S.10 bezüglich der Schöpfungsgeschichte: „Ohne seine (GOTTES) Hilfe mussten sie (DIE MENSCHEN) lange in der Dunkelheit verharren, die anfangs die Welt beherrschte und die Wasser bedeckte.“
Hier fragt sich, welche „Dunkelheit“ gemeint ist, denn sowohl in den Bildern der Bibel wie auch nach der Evolutionstheorie war die Erde beim Erscheinen des Menschen bereits vom „Licht“ des Tages erhellt.
Ebenfalls unklar, wenn nicht sogar falsch ist seine Behauptung auf S.9: „Man muss sich immer wieder klarmachen, dass es kein Leben ohne diese periodisch wiederkehrende und damit verlässliche Variante der Dunkelheit und ihr Wechselspiel mit der Helligkeit von Licht gibt.“ Diese Darstellung wird in den nachfolgenden Sätzen noch verstärkt.
Sind ihm die Lebewesen in der Tiefsee unbekannt, die in absoluter „Finsternis“ leben? Mitnichten! Auf S. 58 schreibt er: „ Aber das, was als Leben bekannt ist, erweist sich als enorm zäh. Deshalb hat es auch diesen Teil der Erde im Dauerdunkel erreicht. In den kalten Zonen der ozeanischen Nacht bewegen sich anmutende Wesen mit glitzernden Augen,......“ , usw.
Eine Unstimmigkeit fällt auf im Kapitel „Wunder des Schlafs“, wo Fischer auf S. 108 berichtet, dass unser Gehirn durch verschiedene Schlafperioden den Menschen auf ein rasches Aufwachen vorbereitet, was damals für Höhlenbewohner bei Gefahr lebensrettend sein konnte; kurz vorher erwähnt er jedoch Traumphasen, in denen durch Nervenblockaden der Mensch völlig unbeweglich ist.
Auch die gegen Morgen abflachenden Tiefschlafphasen und das heftigere Träumen hält er für sinnvoll, weil die Menschen dann beim Erwachen erst nach 10 Minuten voll handlungsfähig sind, was besonders relevant sei, wenn jemand „als Notarzt gezwungen ist, wichtige .... Entscheidungen zu treffen.“ (!)
Besonders bei jugendlichen Lesern werden diese und ähnliche Widersprüche und Ungereimtheiten Irritationen hervorrufen, ebenso wie im Nachwort, das kurioserweise heißt: „Das Verlangen (!) und Verschwinden der Nacht“.(S. 219) Im Text des Kapitels wird übrigens die fehlende Präposition „nachgereicht“.
Das dort angeführte Gemälde „Das schwarze Quadrat“ des russischen Malers Malewitsch, ausgestellt im Jahr 1915, stellt Fischer zunächst als Ausdruck der „Nacht des Schreckens“ und „als Farbe des Todes“ dar, (S. 224) , weist dann aber bald darauf hin, dass Betrachter des Bildes „die Kraft spüren, die in der Dunkelheit steckt.“ Diese höchst persönliche und einseitige Interpretation geht völlig an der Absicht des Künstlers vorbei, der nach eigener Aussage mit diesem Bild eine radikale Abkehr von der gegenständlichen Malerei beabsichtigte, („Suprematismus“ genannt), also kunsttheoretische Gründe dafür hatte!
Fischers letzte Sätze nach dieser zweifelhaften Abschweifung lauten: „Menschen glauben an diese schöpferischen Nächte, weil sie auch körperlich aus ihnen stammen und durch die Liebe zu ihnen zurückfinden. Das Leben lohnt sich durch die Nacht.“
Fischer benutzt die Begriffe Nacht, Dunkelheit und Finsternis auf verschiedenen Ebenen: z.B. für die Nacht die zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang liegende Zeitspanne, aber auch die Nacht im übertragenen Sinn, die seelische Nacht, die „Nachtzeiten“ in der Geschichte. Die „Nachtseite der Wissenschaft“ in der Kapitelüberschrift führt den Leser z.B. in eine Denkrichtung, die gar nicht gemeint ist; denn der Autor versteht unter der „Nachtseite“ die intuitiv geträumte Erkenntnis von Forschern, wie sie in einigen Berichten belegt ist, (z.B. Benzolring). Von der Dunkelheit spricht er, wenn er poetische Bilder übernimmt, aber auch von der menschlichen Dunkelheit des Geistes, bis der Mensch in seiner Entwicklung ins Licht der Vernunft tritt.
Leider wird bei der unterschiedlichen Verwendung der Begriffe nicht deutlich, welche spezielle Variante gerade gemeint ist; das erschwert das Verstehen.
Schade! Titel, Untertitel und Rückentext versprechen etwas, was sie nicht halten können.
Als Jugendbuch nur bedingt geeignet.

Für namentlich oder mit Namenskürzel gekennzeichnete Beiträge und Beurteilungen liegt die presserechtliche Verantwortung beim jeweiligen Autor bzw. bei der jeweiligen Autorin.

Diese Rezension wurde verfasst von RSchV.
Veröffentlicht am 01.10.2015

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