Dunkles Schweigen

Autor*in
Blobel, Brigitte
ISBN
978-3-570-40162-0
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
251
Verlag
Gattung
Ort
München
Jahr
2013
Lesealter
14-15 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Fachliteratur
Preis
7,99 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Benjamin ist seit zwei Jahren aus dem Internat entkommen, als ihn eine Freundin besucht und zu einem Fest dort einlädt. Alles kommt ihm wieder hoch: der Tod des Vaters, Auslöser der Psychose der Mutter, die ihn ins Internat führte - und der Missbrauch durch den von allen umschwärmten Kunstlehrer, der sich bar jeder Scham und jeden schlechten Gewissens Benjamin aussucht. Auf der Feier begegnet Ben der ältere Dominik. Der ist jetzt bereit, den Lehrer anzuzeigen.

Beurteilungstext

Mir ist selten schlecht geworden beim Lesen von Jugendbüchern (allenfalls, wenn sie grottenschlecht waren). Aber diese widerliche, selbstgefällige Art des Kunstlehrers, der hemmungslos kleine Jungs vergewaltigt, ist von der Autorin so hautnah beschrieben worden, dass sich mein Magen zusammenkrampft, noch jetzt, nach der Lektüre. Was es die Autorin gekostet haben mag, sich der Situation so zu nähern, mag ich gar nicht hinterfragen. Ich bewundere gleichzeitig ihre Kunst, bei der Schilderung jegliches Voyeurgefühl im Keime zu ersticken - konsequent beschreibt sie aus der Sicht des Jungen. Die widerlichsten Szenen lässt sie dabei aus, der Leser erfährt erst später von ihnen. Und die Reaktion des Jungen, das heißt eigentlich: seine unwillkürlichen körperlichen Reaktionen stehen im Mittelpunkt: Verkrampfung, Übelkeit, Erbrechen, Herzrasen und die indirekten Folgen: Ängste, Depressionen, schlechtes Gewissen, Verstummen usw. - die ganze Palette der typischen Reaktionen Vergewaltigter.
Zwei Frauen gegenüber will Benjamin sich öffnen. Die Mutter hört nicht zu, sieht nur sich selbst und hat ein meisterhaftes Gespür für sich in gefährliche Bereiche bewegende Gespräche. Sofort findet sie ihr näher liegende Themen, die gerade jetzt ganz wichtig sind und vermeidet so gekonnt jede Öffnung ihres Sohnes. Und die Freundin ist zwar irritiert von Benjamins unerwarteten Reaktionen, will ihn aber zu nichts drängen und verhindert so auf eine völlig andere Art ebenfalls jedes Gespräch über die Belastungen, von denen sie keine Ahnung hat. Haben kann, denn im Internat wird nicht über dergleichen gesprochen, auch wenn sich jeder über den Lehrer und die kleinen Jungs amüsiert. Weiter denkt dort keiner.
Mühsam ist es für die beiden Frauen, Benjamin zur Internatsfeier zu bringen. Er ahnte schon, wie alles wieder hoch kommt, ihm wieder nur schlecht wird. Aber dann spricht ihn Dominik ganz offen an. Der hat dieselben Erfahrungen machen müssen, ebenso wie ein 10-Jähriger jetzt. Und nun - kurz vor dem Abitur - will er nicht mehr schweigen. zusammen schaffen sie es. Der Lehrer wird vor dem nächsten Unterrichtsbeginn aus der Schule abgeholt.
Brigitte Blobel beginnt ihre Erzählung mit einem Gespräch zwischen einem Therapeuten und Benjamin. Er erzählt nichts, blockt, der Therapeut resigniert. Und sie schließt mit einem Gespräch zwischen den Beiden, Benjamin erzählt, hat Pläne, freut sich auf seine Freundin. Das Leben beginnt.
Nun soll ich beschreiben, wem ich das Buch in die Hand drücken möchte. Da habe ich meine Schwierigkeiten. Bedingungslos gut finde ich es. Aber ich möchte Jugendlichen ersparen, sich mit dieser Welt von Erfahrungen auseinandersetzen zu müssen. Haben sie aber auch nur ansatzweise entsprechende Erfahrungen machen müssen, dann ist es die absolute Lektüre für sie: Hier kann man begreifen, warum Opfer sexueller Übergriffe verstummen und doch nicht verstummen dürfen. Hier kann man lesen, wie schlechtes Gewissen erzeugt wird, um von der Schuld der Täter abzulenken. Hier erfährt man, wie hilflos das Opfer gemacht wird, wie allgegenwärtig der Täter sich dadurch macht. Wie das Kind das Trauma nie los wird, wenn es sich nicht traut, das Verbrechen öffentlich zu machen. Blobel beschreibt, dass eine Befreiung nur möglich ist, wenn der Täter benannt wird als das, was er ist: als Krimineller. Los lässt einen die Geschichte nie. Aber man kann lernen, damit zu leben, wenn man den Schritt zur Befreiung gemacht hat.
Wenn ich also die Empfehlung einschränke, hat das nur Schutzfunktion für die jungen Menschen, die nie mit derlei Menschen in Berührung kamen.
Ansprechadressen sind im Anhang zu finden.
Cjh13.05

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Diese Rezension wurde verfasst von cjh.
Veröffentlicht am 01.01.2010

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