Dunkles Gold

Autor*in
ISBN
978-3-407-75491-2
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Seitenanzahl
336
Verlag
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Weinheim
Jahr
2020
Lesealter
14-15 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
9,95 €
Bewertung
eingeschränkt empfehlenswert

Teaser

Pressler verbindet im vorliegenden Roman Historisches mit Fiktion: Die Autorin erzählt von Rachel und Joshua, Kinder des jüdischen Geldhändlers Kalman von Wiehe, die 1349 vor dem Pestpogrom fliehen. Auf der anderen Seite entspinnt sie die Geschichte von Laura, die im heutigen Erfurt lebt, vom jüdischen Schatz fasziniert ist und Alexej begegnet, der Jude ist und in den sich Laura verliebt.

Beurteilungstext

Mit ihrem letzten Buch macht es uns Mirjam Pressler nicht eben einfach: Ihr Einstieg in den Roman ist verwirrend, die Figuren sind nicht eingeführt. Wer ist der/die Ich-Erzähler/in, wer die zweite Person? Der Vorgriff als Aufschlag misslingt. Im ersten Kapitel "Der Schatz" holt Pressler die Figurenvorstellung zwar nach, ein Misstrauen gegenüber der Handlung bleibt jedoch. Wohl auch, weil sich die Bedeutung etwa von Tamara, der Freundin der Mutter, auch im Laufe des Romans nicht wirklich erschließt, weil dieses erste Kapitel klischeehaft auf 15 Seiten alles abarbeitet, was zu Laura zu wissen ist (lebt mit der Mutter allein und versteht sich pubertätsbedingt nicht immer mit ihr, bewundert die Freundin ihrer Mutter, ist historisch interessiert, ist eher Einzelgängerin, Hund heißt Herr Schneider, findet Alexej, den russischen Jungen jüdischen Glaubens spannend, aber der könnte homosexuell sein) und weil man der 15jährigen Protagonistin Laura - dies zieht sich durch das ganze Werk - ganz einfach ihre Sprache nicht glaubt. Presslers Vokabular wirkt aus der Zeit gefallen, Vergleiche wie "sie kicherten wie zwei Schulmädchen" und Wörter wie "Fete" bringen den Leser auf Distanz zu der sich entfaltenden Geschichte. Sich durch Lauras und Alexejs zarte Liebesgeschichte zu arbeiten, in der Alexejs Oma "Babuschka" sich zunächst distanziert gegenüber dem Erfurter Schatz und misstrauisch all jenen gegenüber, die ihn - wie Lauras Mutter - betreuen, zeigt, weil ihre Familie Ähnliches erlebt und unter den Nationalsozialisten gelitten hat, ist mitunter mühsam. Nicht zu leugnen ist jedoch, dass jugendliche Leser relevante Aspekte heutiger Antisemitismus-Diskussionen zumindest wahrnehmen können.
Was Pressler im Hier-und-Jetzt-Strang ihres Romans nur bedingt schafft, gelingt ihr im zweiten Erzählstrang deutlich glaubhafter: Es geht um die Historie des Erfurter Schatzes, der vermutlich vor dem Pestpogrom 1349 versteckt und im Zuge archäologischer Arbeiten 1998 wiederentdeckt wurde. Rachel ist - wie Laura - 15 Jahre alt und lebt mit ihrem jüngeren Bruder Joshua und dem Vater Kalman von Wiehe allein in Erfurt. Die Mutter ist gestorben; unterstützt wird der Haushalt von Agatha, der Hausmagd, und Burkhard, dem Kutscher. Deren Identitäten nehmen die Kinder an, als sie 1349 Richtung Polen fliehen müssen. In Europa grassiert die Pest und im Zuge dessen wächst der Hass auf die jüdisch-gläubige Bevölkerung, die für die Krankheit verantwortlich gemacht wird. Daraufhin mauert Kalman von Wiehe mit seiner Tochter Rachel 700 Einzelstücke gotischer Goldschmiedekunst, darunter der berühmte jüdische Hochzeitsring, im Keller seines Hauses ein und macht sich mit den Kindern auf den Weg. Leser und Leserin erfahren in diesem Erzählstrang viel über jüdisch-kulturelle Lebensweisen, aber auch allgemein über das Leben im Mittelalter. Die Mühen des Alltags, die stete Angst vor Verfolgung und Tod werden von der Autorin nüchtern, jedoch schonungslos erzählt. Der Vater wird von Geldräubern ermordet, Rachel und Joshua müssen sich allein durchschlagen. Joshua geht mit einem fahrenden Künstler mit, Rachel trifft immer wieder auf Menschen, die ihr weiterhelfen, und schließlich findet sie am Ende ihrer Reise die Liebe ihres Lebens. Das ist gut so, werden doch Zweifel, ob es eine 15jährige tatsächlich schaffen kann, im dunklen Mittelalter derart unbehelligt zu reisen, dadurch überlagert.

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Diese Rezension wurde verfasst von Kerstin Hosie; Landesstelle: Hamburg.
Veröffentlicht am 02.01.2021