Die Zeit der leisen Worte
- Autor*in
- Grobéty, Anne-Lise
- ISBN
- 978-3-7795-0011-7
- Übersetzer*in
- Honke, Gudrun
- Ori. Sprache
- Französisch
- Illustrator*in
- –
- Seitenanzahl
- 75
- Verlag
- –
- Gattung
- –
- Ort
- Wuppertal
- Jahr
- 2004
- Lesealter
- 8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
- Einsatzmöglichkeiten
- Fachliteratur
- Preis
- 11,00 €
- Bewertung
Schlagwörter
Teaser
Ein sicherlich schon älterer Ich-Erzähler erinnert sich an wenige , aber entscheidende Tage in seiner Kindheit in einer kleineren Stadt. Sein Freund Oskar und er sind unzertrennlich, ebenso wie es die Väter beider Jungen waren und sind. Sie haben den gleichen Schulweg, spielen miteinander, hecken Streiche aus, werden bestraft, aber sie halten zusammen wie Pech und Schwefel. Bis eines Tages eben die Zeit der leisen Worte einsetzt, kontrastiert zum Gebrüll und Geschrei der Reden Hitlers und seiner Vasallen. Die jüdische Familie Oskars ist ab sofort gefährdet, in der Schule wird er schikaniert, die Treffen werden spärlicher, dann wird die Familie angewiesen, woanders hin zu ziehen. Höhepunkt ist ein konspiratives Gespräch zwischen den beiden Vätern, das der Ich-Erzähler belauscht. Sein Vater bietet dem Vater Oskars an, ihn und seine Familie zu verstecken, ihm zu helfen, was der jedoch ablehnt, denn wahre Hilfe sei der Verzicht auf diese langjährige Freundschaft, um nicht noch mehr Menschen zu gefährden. Die Einsicht, man habe viel zu lange alltägliche Feigheit geübt und damit Worte zugelassen, die nun in Gewalt, Hass, Ausgrenzung, Leiden umgeschlagen seien, kommt zu spät. Der Vater Oskars vertraut der Familie jedoch ihr kleines neugeborenes Mädchen an, das wahrscheinlich die einzige Überlebende dieser jüdischen Familie sein wird. Man erfährt, dass man von ihnen nichts mehr hörte, als man selbst auf der Flucht ist, wie es Oskars Vater voraus gesagt hatte.
Beurteilungstext
Das stark reduzierte Geschehen ist sparsam erzählt, lakonisch, assoziativ, beinahe poesievoll, ja lyrisch. Es handelt sich von vornherein nur um einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben zweier Jungen und ihrer Familien, aber der ist durch die Art der Gestaltung so bedeutsam gemacht, dass er eine hohe Verallgemeinerungskraft auszustrahlen vermag. Nicht nur die Kinderfreundschaft, sondern auch diejenige der beiden Väter wird poetisch inszeniert. Durch die treffsicheren Dialoge wird eine unerhörte Spannung, ja Dramatik erzielt. Der erwachsene Leser merkt schnell, um welche Zeit es sich handelt, denn die scharfen Kontraste zwischen Liebe und Hass prallen direkt aufeinander. Die Episoden der romantischen Kinderspiele und des familiären Einklanges sind vorbei, als die Zeit der leisen Worte einsetzt, die Folgen zeitigt für alle Beteiligten. Wesentlich dürften die Appelle sein, die zwischen den Zeilen stehen, dass man Freundschaft und Liebe eben erwerben muss, und ihr Bestand ist nicht immer in der direkten Hilfe und Solidarität zu suchen, sondern auch im - wenn auch scheinbaren - Verzicht auf äußerliche Bande. Die zarte, poetische Sprache überzeugt, ich wage nur zu bezweifeln, dass der kindliche bzw. jugendliche Leser all diese philosophischen und moralischen Hintergründigkeiten aufzunehmen in der Lage sein wird. Für mich eines der anspruchsvollsten Bücher über den Holocaust in den letzten Jahren. Die Aktualität der Warnung vor Parolen, die alles zu trennen vermögen, Kameradschaft, Familien, Städte, ganze Länder, Staaten, springt schnell ins Auge.