Die Welle

Autor*in
Kampmann, Stefani (nach
ISBN
978-3-473-35271-5
Übersetzer*in
Ori. Sprache
Illustrator*in
Kampmann, Stefani
Seitenanzahl
172
Verlag
Ravensburger
Gattung
Comic
Ort
Ravensburg
Jahr
2007
Lesealter
12-13 Jahre14-15 Jahre16-17 Jahreab 18 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
16,95 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Als im Geschichtsunterricht der Zweite Weltkrieg und Nazideutschland behandelt werden, stößt Mr Ross, der Lehrer, auf Unverständnis bei den Schülern. Um ihnen zu verdeutlichen, was damals in den Köpfen der menschen vor sich gegangen ist, kommt er auf eine geniale, aber nicht ungefährliche Idee. Er wird zum Führer der neuen Bewegung ...

Beurteilungstext

Mr Ross, Geschichtslehrer an der High School, zeigt im Unterricht einen Film über den Zweiten Weltkrieg (an dieser Stelle verzichtet Kampmann auf Zeichnungen zugunsten echter Schwarzweißfotos, vorwiegend mit Szenen aus Konzentrationslagern oder Bildern von Adolf Hitler in Pose). Am Ende der Stunde stellt ein Mädchen die Frage: "Waren alle Deutschen Nazis?" Und Ross antwortet: "Nein, nicht einmal 10 Prozent" - und unweigerlich reagieren alle mit Unverständnis: "Warum hat sie dann niemand aufgehalten?". Die sich anschließende Diskussion gipfelt in der festen Überzeugung der Schüler: "Niemand befolgt blind solche Befehle!" und "Die Welt hat daraus gelernt; es wird nie wieder geschehen."
Indessen zerbricht sich Ross den Kopf, warum es so schwer ist, ihnen das Verhalten der deutschen nahezubringen, und - guter Lehrer, der er ist - beschließt, eine Situation zu schaffen, die klarlegt, was es hieß, in Nazideutschland gelebt zu haben. Am folgenden Tag beginnt er sein Experiment mit dem Satz "Macht durch Disziplin!". Simple Übungen, wie bestimmte (stramme) Körperhaltungen, Sprechweisen, Gesten, Mimik fesseln die Klasse und lassen sie mitmachen, ohne zu lachen oder zu protestieren. Auch der typische Außenseiter ist auf einmal integriert, zeigt Interesse, Begeisterung.
Aber nicht nur die Klasse ist fasziniert von dem Experiment, das sie nicht als solches erkennt. "Ich ließ mich mitreißen", gesteht der Lehrer; auch er unterliegt den Emotionen, kostet das Gefühl der Macht aus, das er über die Jugendlichen hat. Er wird zu ihrem Idol, und bald fühle sich die Schüler als Teil von etwas Großem, Ganzen, Wichtigem. "Die Welle" heißt ihre Bewegung, und bald gibt es Symbole, einen bestimmten Gruß, Fahnen.
Es dauert nicht lange, da spaltet die Bewegung die Schüler und artet aus. Diejenigen, die nicht mitmachen wollen und sich nicht unterwerfen oder auch nur zögern, werden Opfer der Gewalt, erst in Worten, dann in Taten. Angst und Brutalität beginnen zum Alltag der Schule zu gehören. Eltern, Lehrer, der Direktor und sogar die eigene Ehefrau von Ross reagieren skeptisch, zögern, kritisch, aber abwartend.
Unter den Schülern ist es vor allem Laurie, die die Gefahren erkennt, die von der Welle ausgehen. Eigenes Denken ist nicht mehr erwünscht, alles wird vorgeschrieben, macht es leicht für die Jugendlichen. Sie müssen keine Verantwortung mehr für ihr tun übernehmen - es gibt einen, der für sie denkt: Mr Ross. Der Mann, der seine Schüler blindlings manipulieren kann. Der Führer, dem sie bedingungslos und unkritisch folgen. Bald ist das soziale System der Schule zerstört und Schreckliches droht. Ross weiß: dieses Experiment muss ein Ende finden, und er inszeniert ein großes Showdown.
Stefani Kampmann hat ihre Bilder mit nur wenigen Strichen plakativ gezeichnet. Alles, was im Roman die Aufgabe des Erzählers ist, muss nun im Bild ausgedrückt werden, alle Handlung, alle Überlegungen müssen sich in den Bildern niederschlagen, in den Figuren widerspiegeln. Körperhaltung und Mimik muss ausdrücken, was ungesagt bleibt. Die Beschränkung auf die Farben Schwarz, Weiß und Grau verstärkt die bedrohliche Atmosphäre, bildet einen imposanten, gefährlichen Hintergrund für emotionsgeladene Szenen.
Kampmann gliedert in eine Art Kapitel oder besser: Abschnitte, die aus unterschiedlicher Perspektive gestaltet sind: allgemeine Szenen, die die Handlung vorantreiben, Szenen des Lehrers, Szenen der Schüler, Szenen des Widerstands in Gestalt von Laurie. Hier erfährt der Leser dann jeweils etwas von den Gedanken und Motiven der betreffenden Personen. Die Form der graphic novel ermöglicht eine pointierte Darstellung, in der Frage und Antworten im ungetümen Schlagabtausch erfolgen; für den Leser bietet sich dadurch keinerlei Möglichkeit der Entspannung.
Der große Showdown am Ende führt im Buch zu einem guten Ende. Die Schüler erkennen schockiert ihr Verhalten; Betroffenheit schafft sich Raum. Wenig später ist alles wie vorher, als habe es diese Tage der Welle nie gegeben. Und doch war sie in jedem vorhanden.

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Diese Rezension wurde verfasst von avn.
Veröffentlicht am 01.01.2010