Die schönste Wunde

Autor*in
AdBåge, Emma
ISBN
978-3-407-75920-7
Übersetzer*in
Buchinger, Friederike
Ori. Sprache
Schwedisch
Illustrator*in
AdBåge, Emma
Seitenanzahl
26
Verlag
Beltz & Gelberg
Gattung
BilderbuchBuch (gebunden)
Ort
Weinheim
Jahr
2024
Lesealter
4-5 Jahre6-7 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
BüchereiFreizeitlektüreVorlesen
Preis
14,00 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Schlagwörter

Teaser

Wer kennt das nicht? Man fällt beim Spielen, Toben... auf das Pflaster oder den Asphalt und hat ein blutiges Knie. Dem etwa sechsjährigen Protagonisten ergeht es ebenso. Die Wunde schmerzt. Doch dann erlebt er etwas Besonderes.

Beurteilungstext

Pause auf dem Schulhof. Einige Kinder wollen Tischtennis spielen, doch alle Schläger sind kaputt. So beginnen sie einen Wettlauf um die TT-Platte. Oben steht ein Junge und feuert sie an. Doch im Eifer verliert er das Gleichgewicht und fällt auf den Asphalt. Benommen liegt er da. Blut sickert aus seinem Knie. Viele Kinder laufen zusammen, der Hausmeister kommt, der Lehrer kommt und sogar eine Taube trippelt herbei. Kurzerhand trägt der Lehrer den Jungen ins Lehrerzimmer und verarztet ihn.

Zurück bei seinen Mitschülern:innen erlebt er jetzt etwas Wunderbares: Im Unterricht wollen sie Wunden zählen, statt rechnen, Wunden malen, bis die Filzstifte keine Farbe mehr hergeben und man will Wund-Geschichten und Wund-Gedichte schreiben. Doch man vergisst ihn nicht. Man trägt ihn in die Mensa, bringt ihm das Mittagessen und trägt ihn wieder zurück oder in den Pausenhof. Man kümmert sich liebevoll um ihn. Bis eines Tages der Lehrer sagt, dass die Wunde doch jetzt verheilt sein müsste. Eine Kruste hat sich gebildet, die sich wieder alle anschauen. Bis sie sich im Schwimmunterricht vom Knie löst und im warmen Wasser versinkt. Da muss der Junge weinen. Doch der Lehrer tröstet ihn und erklärt, dass er die Narbe wohl sein Leben lang sehen werde.

Eine banale Alltagsgeschichte. Könnte man meinen. Doch die Autorin/Illustratorin hat an der richtigen Stelle eine Abzweigung gefunden. Ihr erscheint es nicht richtig, wenn der Junge sich jetzt zum Helden aufspielt, sich ewig bemuttern lassen will oder dies sogar einfordert. Ihr ist die Solidarität und das ehrliche Mitfühlen wichtig. Die Narbe kann verschwinden, aber der Junge hat erlebt, wie ihm geholfen wurde – freiwillig. Und diese Erfahrung wird wohl bei ihm länger hängen bleiben als die Narbe.

Ohne Pathos, ohne große Worte erzählt Emma AdBåge diese Geschichte. Kein pädagogischer Zeigefinger taucht auf, wenn der Ich-Erzähler von seinem Erlebnis berichtet. Und doch gelingt ihr, daraus ein Schauspiel, ein Bilderbuch für Kinder zu gestalten, das den Lesern:innen das pralle Leben zeigt und zugleich einen Ausweg aus unserer hierarchischen und oft egoistischen Welt aufweist. Ihre vierfarbigen Bilder sind kindgerecht, wirken zum Teil wie mit dem Lineal konstruiert und sind doch voller Leben und positiver Fantasie. Die Kinder sind individuell gezeichnet, der Lehrer übergroß, nicht dominant, sondern besorgt. Selbst bei der Taube meint man Mitgefühl zu erkennen.

Der Autorin ist in Schweden bestens bekannt. Sie ist 1982 in Linköping geboren, lebte einige Zeit in Malmö und jetzt irgendwo auf dem Land und hat in Hofors (ca. 180 km nordwestlich von Stockholm) an der Cartoonist School Illustration studiert. Nach „Die rote Burg“, „Unsere Grube“ (2018 erhielt sie dafür den renommierten August-Preis und 2022 den Deutschen Jugendliteraturpreis) und „Wir finden Krümelbert“, hat sie ein weiteres geniales Bilderbuch vorgelegt.
Friederike Buchinger, die u.a. die Romane von Frida Nilsson einfühlend ins Deutsche übersetzt, hat auch hier eine adäquate Sprache gefunden.

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Diese Rezension wurde verfasst von Walter Mirbeth; Landesstelle: Bayern.
Veröffentlicht am 12.03.2025