Die Insel. Eine alltägliche Geschichte

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• Politik
• Rassismus
• Tod/Sterben

Teaser

"Eine alltägliche Geschichte": Auf einer Insel strandet eines Tages ein Mann, der anders ist als die Inselbewohner. Sie nehmen ihn auf, weil er sonst im Meer sterben würde. Sie weisen ihm einen Platz außerhalb ihrer Gemeinschaft zu und beginnen, eine von ihm ausgehende Bedrohung zu konstruieren. Schließlich jagen sie ihn zurück ins Meer, in den sicheren Tod. Dann bauen sie hohe Türme um die Insel, damit kein Fremder jemals wieder zu ihnen kommt.

Beurteilungstext

Armin Greders bitterböse Parabel "Die Insel", bereits 2002 erschienen, wirkt in seiner Wuchtigkeit der Bilder und der direkten, klaren Aussage wie Ausdruck und Kommentar zugleich zur aktuellen Situation in einem Europa, in dem die Staaten genau das tun, was im Buch in aller tödlichen Konsequenz dem Menschen angetan wird, den "Meeresströmung und Schicksal" ans Ufer der Insel geführt hat: Widerwillig wird er aufgenommen, von der Gemeinschaft abgeschottet eingesperrt, um schließlich aufs wilde, dunkle Meer zurück gedrängt zu werden. Mit Bedacht kennzeichnet Greder seine Geschichte als eine alltägliche - wie sehr, sehen wir fast jeden Tag im Fernsehen, hören und lesen wir in den Nachrichten. Die europäischen Staaten, deren ökonomisch stärksten und wichtigsten vor allem, die zugleich meist mit Verursacher des Elends und der kriegerischen Auseinandersetzung im globalen Süden sind, versuchen mit allen Mitteln, vor allem mit Zäunen, Mauern, Grenzbefestigungen und der Illegalisierung von Menschen, zu verhindern, dass diese eine Flucht auf ihre "Inseln" des Wohlstands und der Sicherheit wagen. Dabei ist von den 60 Millionen Flüchtlingen weltweit nur ein kleiner Bruchteil auf dem Weg nach Europa.
Heribert Prantl betont in seinem Nachwort zur Neuausgabe diese erschreckende und aktuelle Parallele zur "Flüchtlingsdebatte" in Europa und ruft dazu auf mit Flüchtlingen anders umzugehen: "Sie sind Menschen, die Angst haben, Menschen wie wir." Genau dies - die universelle Menschlichkeit jedes Individuums - sehen die Inselbewohner anders. Wie ein roter Faden zieht sich die Behauptung durch den Text: ER WAR NICHT WIE SIE: ER WAR NICHT WIE SIE: Worin besteht denn nun das "Anderssein", das Fremde? Im Bild sehen wir nur einen Unterschied zwischen ihm und ihnen in seiner Nacktheit und seiner dürren Figur.
"Die Insel" ist auch eine Parabel über Bedürftige, Schutzsuchende und Hilflose einerseits und den Umgang der Wohlgenährten und in Sicherheit Lebenden mit ihnen, über die Angst vor dem Fremden und Unbekannten und fehlende Solidarität.
Greders beeindruckende Kohlezeichnungen bringen dies weit mehr noch als der Text zum Ausdruck: Die himmelhohen Mauern um die Insel, der kleine, nackte hilflose Mensch im Verhältnis zu den feisten, dicken mit Ackergeräten bewaffneten Inselbewohnern, das bedrohlich düstere Meer mit schäumenden Wellen.
Dieses Buch ist eine Zumutung - im positiven Sinne. Muten wir es uns und auch Kindern und Jugendlichen zu, uns dieser Geschichte zu stellen.
Das Buch wurde schon nach der Erstveröffentlichung vielfach ausgezeichnet und rezensiert. Rezensionen der Neuausgabe finden sich sowohl in der FAZ wie auch in der SZ. Außerdem gibt es mehrere wissenschaftliche Texte (Hausarbeiten/Diplomarbeiten) dazu und nicht zuletzt für die Beschäftigung im Unterricht eine fundierte und gut ausgearbeitete Unterrichtsreihe für die Sek. I von Edith Klenner/Bistum Speyer.